Streit um Verfassungsschutzpräsident:Koalition vertagt Entscheidung über Maaßens Zukunft

Lesezeit: 2 Min.

  • Die Regierungsparteien haben ihre Gespräche über die Zukunft von Verfassungsschutzpräsident Maaßen auf kommenden Dienstag vertagt.
  • Zuvor hatte die SPD seine Absetzung gefordert.
  • Inzwischen schließt sich auch die FDP der Forderung nach einer Entlassung Maaßens an.
  • Bundesinnenminister Seehofer hatte Maaßen zuvor Rückendeckung gegeben.
  • Wegen des Koalitionsstreits war für den Nachmittag ein Krisentreffen im Kanzleramt einberufen worden.

Die Parteichefs der großen Koalition haben ihre Gespräche über die Zukunft des umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen auf kommenden Dienstag vertagt. Ein Krisentreffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles war am Nachmittag ohne Bekanntgabe weiterer Details zuende gegangen. Die Regierungsparteien sind sich offenbar immer noch uneins darüber, ob Maaßen im Amt bleiben kann.

"Es war ein gutes und ernsthaftes Gespräch mit dem Ziel, die Zusammenarbeit fortzusetzen, sagte Seehofer hinterher. Das Gespräch werde am Dienstag fortgesetzt. Bis dahin sei Stillschweigen vereinbart worden.

Die SPD-Spitze hatte von Merkel zuvor gefordert, Maaßen abzusetzen. "Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln", schrieb SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil auf Twitter mit Blick auf Maaßens Einlassungen zu ausländerfeindlichen Vorfällen in Chemnitz.

Auch für den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) ist Maaßen nicht mehr tragbar. "Das Verhalten von Herrn Maaßen als Behördenleiter des Verfassungsschutzes fällt auf die Regierung ingesamt zurück. Hinter ihm kann man sich nicht länger versammeln", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Wir dürfen da als SPD nicht länger zusehen." Pistorius ist auch Mitglied im SPD-Parteivorstand.

Wegen der Personalie Maaßen fand am Nachmittag ein Krisentreffen im Kanzleramt statt, an dem die Parteivorsitzenden Angela Merkel, Horst Seehofer und Andrea Nahles teilnehmen. Ergebnisse sind bislang nicht bekannt.

Juso-Chef Kevin Kühnert verlangte, die Koalition mit der Union infrage zu stellen, sollte Maaßen im Amt bleiben. SPD-Fraktionsvize Eva Högl sagte im Bundestag, die SPD-Fraktion halte Maaßen "leider nicht mehr für den Richtigen an der Spitze des Verfassungsschutzes". Sie bat Seehofer und Merkel, "für Klarheit zu sorgen", schloss in Interviews aber einen Bruch des Regierungsbündnisses aus.

Bundesinnenminister Seehofer (CSU) hatte sich am späten Mittwochabend hinter Maaßen gestellt, nachdem beide vom Innenausschuss des Bundestags befragt worden waren. In seiner Haushaltsrede am Donnerstagmorgen untermauerte Seehofer seinen Entschluss, während die Stimmen des Koalitionspartners lauter wurden, die eine Entlassung Maaßens forderten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist Seehofers Innenministerium unterstellt.

FDP für Absetzung Maaßens

Inzwischen fordert auch die FDP, Maaßen abzusetzen. Innenpolitiker Konstantin Kuhle, der den Geheimdienstchef am Vorabend im Innenausschuss erlebt hatte, hält ihn für nicht länger tragbar. "Nach den heutigen Enthüllungen um die Kontakte zwischen Hans-Georg Maaßen und der AfD ist das Maß voll", sagte Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, am Donnerstagnachmittag der SZ. Horst Seehofer müsse den Verfassungsschutzpräsidenten sofort entlassen, sagte der Liberale. "Nur weil eine Landtagswahl in Bayern bevorsteht, kann sich die CSU nicht alles erlauben." Grüne und Linke hatten schon zuvor die Entlassung Maaßens verlangt.

Nach Recherchen des ARD-Magazins "Kontraste" soll Maaßen Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 bereits Wochen vor dessen Veröffentlichung an die AfD weitergegeben haben. Maaßen wies diese Vorwürfe zurück. Die ARD zitierte den AfD-Politiker Stephan Brandner, Maaßen habe ihm bei einem Treffen am 13. Juni Zahlen aus dem Bericht genannt, der "noch nicht veröffentlicht" gewesen sei. "Wir haben uns da über verschiedene Zahlen unterhalten, die da drinstehen." Der Bericht erschien erst fünf Wochen später. Es sei dabei um islamistische Gefährder und den Haushalt des Verfassungsschutzes gegangen.

Der Verfassungsschutzpräsident hatte vergangene Woche in einem Interview gesagt, seiner Behörde lägen keine belastbaren Informationen für Hetzjagden in Chemnitz vor. Auch gebe es keine Belege dafür, dass das im Internet kursierende, erstmals von "Antifa Zeckenbiss" hochgeladene Video zu "diesem angeblichen Vorfall" authentisch sei. Kritiker werfen Maaßen vor, die Chemnitzer Ereignisse zu verharmlosen und rechten Gruppen oder Parteien wie der AfD in die Hände zu spielen.

Maaßen steht schon seit Längerem auch wegen Kontakten zur AfD in der Kritik. Aufgrund von Aussagen einer Parteiaussteigerin steht der Vorwurf im Raum, Maaßen habe der AfD Ratschläge gegeben, wie sie eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz vermeiden könne. Maaßen hat Treffen mit AfD-Politikern bestätigt, eine Beratung aber dementiert.

© SZ.de/dpa/reuters/leja/msz/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Verfassungsschutzpräsident
:Was muss eigentlich noch passieren, bis etwas passiert?

Der Fall Maaßen ist ein weiteres Exempel für die fehlende Rücktritts- und Rückzugskultur in der Bundesrepublik. Ein unhaltbarer Behördenchef wird von seinem Minister Seehofer gehalten.

Kommentar von Heribert Prantl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: