Seehofer im Innenausschuss:Tatort Bamf

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Unruhige Tage: Innenminister Horst Seehofer musste am Dienstag wegen der Bamf-Affäre vor den Bundesinnenausschuss, kommende Woche will er seinen "Masterplan" Migration vorlegen. (Foto: dpa)

In der Affäre um die Missstände im Asylbundesamt ist Innenminister Seehofer im Parlament als Chefaufklärer gefordert. Er will die Causa nutzen - für eine striktere Flüchtlingspolitik.

Von Constanze von Bullion, Bernd Kastner und Reiko Pinkert

Als Horst Seehofer am Dienstagnachmittag auf den Sitzungssaal zusteuert, da lässt sich an seiner Miene ablesen, dass er schon härtere Bewährungsproben zu bestehen hatte. Der Bundesinnenminister gibt sich gelassen. Und statt in die Rolle des Angeklagten schlüpft der Minister lieber in die des Aufklärers. Seehofer ist zweieinhalb Monate im Amt, da muss er sich im Innenausschuss des Bundestages einer langen Liste von Fragen stellen.

Die Abgeordneten erwarten Aufklärung in der Causa Bremen: Wer wusste wann was über die Missstände in der Außenstelle des Asyl-Bundesamtes (Bamf)? Ist Amtsleiterin Jutta Cordt noch zu halten? Und was bedeutet die Affäre für die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel, die der CSU-Chef lange bekämpft hat? Seehofer will nicht mauern im Innenausschuss, er verspricht den Abgeordneten "vollständige Aufklärung und totale Transparenz". Und sogar Grüne gestehen ihm zu, er habe sich darum bemüht.

Er wolle sich "im Namen der Bundesregierung für die Fehler, die im Bamf passiert sind, bei der Bevölkerung entschuldigen", lässt Seehofer sein Ministerium twittern. Offenheit signalisieren, sich selbst an die Spitze der Aufklärung setzen und die Wucht der öffentlichen Erregung dann für eigene Zwecke nutzen - so etwa sieht seine Strategie aus. Im Raum steht der Vorwurf von Manipulation und amtlicher Schlamperei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sechs Personen, unter ihnen die frühere Leiterin des Bamf Bremen. Zwischen 2013 und 2016 sollen dort etwa 1200 Menschen zu Unrecht Schutz in Deutschland erhalten haben. Wie eine Sepsis breitet sich Verunsicherung im deutschen Asylsystem aus. 18 000 Asylbescheide werden allein in Bremen überprüft, dazu bundesweit zehn Standorte des Bamf. Zeitweise wurde im Bundesinnenministerium sogar befürchtet, übers Bamf seien islamistische Gewalttäter ins Land geschleust worden. Das sei nicht der Fall, sagte der CDU-Abgeordnete Armin Schuster am Rand der Sitzung: "Es gibt keinen Bezug zu irgendeinem Terrorgefährder."

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Über allem schwebt die Frage: Hängt auch die Nürnberger Zentrale mit drin? Die Interimschefin im Bremer Bamf, Josefa Schmid, hatte diesen Vorwurf erhoben. Auf Fragen der Grünen stellt sich Seehofers Ministerium schützend vor die Spitze des Bamf und erklärt: "Vertuschungsversuche in der Nürnberger Zentrale wurden nicht festgestellt." Das von Schmid angeprangerte Löschen von Akten sei Teil des regulären Löschkonzepts: "Unregelmäßigkeiten sind hierbei nicht ersichtlich."

Ausgestanden aber ist die Sache nicht. Die Grünen wollen nun auch Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) und die Ex-Bamf-Chefs Frank-Jürgen Weise und Manfred Schmidt vor den Ausschuss laden. Seehofer wiederum will die Fachaufsicht seines Ministeriums über das Bamf "deutlich stärken". Der Bundesrechnungshof prüft finanzielle Verstrickungen in der Bremer Bamf-Filiale, untersucht aber auch das Innenministerium.

Dass die Bestürzung groß ist, muss Seehofer nicht schaden, im Gegenteil. Seit 2015 reibt er sich an Merkels Asylpolitik. Er hat also wenig Interesse daran, die Lage zu schönen. Die Zustände im Bamf erforderten Entschlossenheit. Er wolle die Art und Weise, wie Asylverfahren ablaufen, reformieren, das aber "ohne Hektik", sagt Seehofer nach der Ausschusssitzung. Kommende Woche will er einen "Masterplan" Migration vorlegen, der das Asylwesen neu ordnet und Abschiebungen erleichtert. Kernstück sind Ankerzentren für Flüchtlinge, die in den Ländern auf Widerstand stoßen. Die Bamf-Affäre könnte das ändern, zu Seehofers Gunsten. Je größer die Verunsicherung und je schlimmer die Zustände, desto größer die Bereitschaft, das Asylsystem grundlegend zu verändern.

Ob ein Neustart des Bamf unter der Führung Cordts noch realistisch ist, blieb am Dienstag zunächst offen. Die Bamf-Präsidentin und der Personalrat leben im juristischen Dauerstreit. Das spricht nicht für Cordt, wenn Seehofer entscheiden muss, ob er an ihr festhalten wird. Selbst wenn ihr keine Fehler in der Aufklärung in Bremen anzulasten sind - die Atmosphäre in ihrem Haus ist vergiftet. Fast schon verzweifelt klingt es, wenn der Gesamtpersonalrat die "sehr geehrte Frau Präsidentin" per Brief um "einen Neuanfang" bittet, bei dem Qualität vor Quantität stehe.

Zum Neuanfang müsste gehören, aus Analysen eigener Fachleute Konsequenzen zu ziehen. So listet ein Papier aus dem Referat Qualitätssicherung eklatante Mängel in laufenden Widerrufsverfahren auf. Diese würden "zum großen Teil der Voraussetzung einer umfassenden rechtlichen Prüfung nicht gerecht". Das Amt hätte jetzt die Chance, Fehler aus einer Zeit zu korrigieren, als der Flüchtlingszuzug die Behörde schlicht überforderte. Werden die Mängel nicht behoben, ist die nächste Bamf-Enthüllung nur eine Frage der Zeit.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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