Deutsches Schulbarometer:Aufstocken? Ja, aber ...

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Die Zeit im Klassenzimmer macht nur einen Teil der Arbeit von Lehrkräften aus. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Zwei Drittel der Teilzeit-Lehrkräfte wären bereit, mehr zu unterrichten, zeigt eine Umfrage - unter bestimmten Voraussetzungen. Außerdem beobachten die Pädagogen einen Anstieg der Kinderarmut.

Von Lilith Volkert

Die Aufregung war groß, als Wissenschaftler Anfang des Jahres empfahlen, die vielen in Teilzeit beschäftigten Lehrkräfte mehr in die Pflicht zu nehmen, um den Mangel an Pädagogen zu lindern. Gewerkschaften und Lehrerverbände reagierten empört. Nun zeigt das Deutsche Schulbarometer, eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung, dass zwei Drittel der Teilzeit-Lehrkräfte bereit wären, mehr zu unterrichten. Allerdings nur zu bestimmten Bedingungen.

Als wichtigste Voraussetzung nennen 73 Prozent der Betroffenen ein anderes Arbeitszeitmodell. Bisher richtet sich die Arbeitszeit von Lehrkräften nach den verpflichtenden Unterrichtsstunden, dem sogenannten Deputat. Je nach Bundesland und Schulform sind das bei einer Vollzeitstelle zwischen 21 und 30 Schulstunden pro Woche. Nicht erfasst wird die Zeit für Vorbereitung, Korrekturen und andere Aufgaben - häufig ist das aber der größere Teil der Tätigkeit. Bisher zeigen die Bundesländer keine Bereitschaft, das Modell zu ändern. Im Gegenteil: Im Juli beantragte die Kultusministerkonferenz beim Arbeitsministerium, dass der Schulbereich von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ausgenommen werde.

Jeweils 69 Prozent der befragten Teilzeitkräfte würden aufstocken, wenn sie weniger Dokumentation und fachfremde Aufgaben erledigen müssten und ihre Arbeit ohne Überstunden zu schaffen wäre. Für ein Viertel wäre es notwendig, dass die Betreuungssituation der eigenen Kinder verbessert beziehungsweise gewährleistet werden kann.

Störendes Verhalten von Schülern ist die größte Herausforderung

Befragt wurden aber nicht nur Teilzeit-, sondern auch Vollzeitkräfte. Die hohe Arbeitsbelastung bereitet 31 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer Schwierigkeiten, über den Personalmangel klagen 21 Prozent. Als größte Herausforderung im Schulalltag nennen sie aber das Verhalten der Schüler und Schülerinnen. 34 Prozent bereitet es Probleme, im Vorjahr waren es 21 Prozent.

Als mögliche Gründe dafür sehen Experten Nachwirkungen der Pandemie und die anhaltende Unsicherheit angesichts von Krieg, Inflation und Klimakrise. Fast jede dritte Lehrkraft nimmt Ängste bei ihren Schülern wahr. "Die Lebenszufriedenheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist sehr gering, das zeigt auch der aktuelle Unicef-Bericht", sagte Sabine Walper, Direktorin des Deutschen Jugendinstituts, bei der Vorstellung des Schulbarometers. "Das ist ein großes Problem, um das wir uns nicht angemessen kümmern." In den Schulen gebe es zu wenig Zeit, um auf die Sorgen der Schüler einzugehen.

Wie im vergangenen Jahr beobachten mehr als drei Viertel Konzentrationsprobleme in ihren Klassen. Dafür haben Motivationsprobleme, aggressives Verhalten und unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht im Vergleich zu den Befragungen während der Corona-Pandemie abgenommen.

Die Kinderarmut hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen

Besonders auffällig ist, dass die Kinderarmut im vergangenen Schuljahr offenbar in vielen Bevölkerungsschichten sichtbar zugenommen hat. Wenn es in Familien finanziell eng wird, bekommen Lehrerinnen und Lehrer das im Alltag schnell mit. Etwa jede dritte Lehrkraft gibt an, dass Schülern benötigte Materialien fehlen oder dass sie ohne Frühstück zur Schule kommen, in sozial benachteiligten Gegenden sind es sogar bis zu 64 Prozent. Ebenfalls jeder dritte Pädagoge hat mitbekommen, dass Schüler sich Sorgen um die finanzielle Situation der Eltern machen. Jeder vierte hat angegeben, dass Kinder und Jugendliche seltener mit ins Schullandheim fahren.

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"Arme Kinder werden zu oft zu armen Erwachsenen. Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden", sagt Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs Bildung der Robert-Bosch-Stiftung. "Fehlendes Geld im Elternhaus verhindert die Teilhabe junger Menschen am sozialen und kulturellen Leben. Das hat auch Auswirkungen auf die psychosoziale Gesundheit."

Wolf fordert eine bedarfsdeckende Kindergrundsicherung. Genauso dringend bräuchte es eine armutssensible Haltung der Lehrkräfte, damit diese die Auswirkungen von Armut auf Kinder und Jugendliche erkennen und ihnen Hilfe anbieten können, ohne die Betroffenen bloßzustellen.

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