Sommerinterview des Kanzlers:"Wir werden es uns weiter schwer machen"

Lesezeit: 3 min

"Immer sehr sorgfältig überprüfen, was geht, was Sinn macht": "Taurus"-Marschflugkörper, hier an einer "F-15" der US-Luftwaffe. (Foto: Taurus Systems / Handout/dpa)

Kanzler Olaf Scholz will sich bei der Entscheidung über "Taurus"-Marschflugkörper nicht hetzen lassen. Die Union lobt seinen Kurs. Doch FDP und Grüne machen Druck.

Von Markus Balser und Robert Roßmann, Berlin

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich zurückhaltend zu einer mögliche Abgabe von Marschflugkörpern vom Typ Taurus an die Ukraine geäußert. In einem Interview mit dem ZDF sagte Scholz auf die Frage, wann Deutschland derartige Flugkörper liefern werde: "So wie in der Vergangenheit werden wir jede einzelne Entscheidung immer sehr sorgfältig überprüfen, was geht, was Sinn macht, was unser Beitrag sein kann." Er wolle sich in dieser Frage nicht hetzen lassen. Die Bürgerinnen und Bürger fänden es mehrheitlich schließlich "sehr, sehr richtig", dass nicht jede öffentliche Forderung sofort mit "Ja" beantwortet werde. "Wir werden es uns weiter schwer machen", sagte Scholz zur Arbeit seiner Regierung.

Die Ukraine fordert von Deutschland die Lieferung von Taurus-Systemen. Großbritannien und Frankreich haben Kiew bereits Marschflugkörper überlassen. Mit ihnen können Bunker und geschützte Gefechtsstände auf bis zu 500 Kilometer Entfernung zerstört werden. In der Bundesregierung gibt es deshalb die Sorge, sie könnten auch gegen Ziele in Russland eingesetzt werden. Deshalb wird in der Bundesregierung auch eine technische Begrenzung der Reichweite geprüft.

Die Reaktionen auf die Position des Kanzlers sind ungewöhnlich. Seine Koalitionspartner FDP und Grüne üben Druck auf ihn aus, schnell zu entscheiden - die oppositionelle Unionsfraktion lobt dagegen die Zurückhaltung von Scholz.

Union: Vorgehen strukturiert und nachvollziehbar

"Die Lieferung eines Waffensystems wie Taurus muss wohl abgewogen werden", sagte Unionsfraktionsvize Johann Wadephul der Süddeutschen Zeitung. Einerseits müsse man "der Ukraine alle mögliche militärische Hilfe leisten, anderseits muss jede formale Involvierung Deutschlands vermieden werden". Deshalb halte er "das Vorgehen der Bundesregierung in diesem Fall für strukturiert und nachvollziehbar", sagte Wadephul. Außerdem müsse "klar sein, dass die zügige Wiederbeschaffung gesichert ist". Bei Taurus handele es "sich um ein für die Bundeswehr unverzichtbares Waffensystem - weder die sicherheitspolitische Lage im Osten noch im Sahel erlauben empfindliche Lücken unserer Ausrüstung". Taurus könne der Ukraine sicher helfen, sei aber keine "Wunderwaffe" für die Gegenoffensive.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte der SZ dagegen, es sei "dringend erforderlich, die Taurus zu liefern". Die Ukraine bitte schon seit Monaten darum. Die Taurus-Marschflugkörper seien "eine weitere bedeutende Unterstützung im Kampf gegen die andauernden brutalen russischen Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung. Wir dürfen keine Zeit verlieren." Das Bundeskanzleramt sei deshalb "aufgefordert, nicht erneut zu zögern". Wer möchte, dass die Ukraine diesen Krieg gewinne, müsse "alles Machbare tun, was das Völkerrecht zulässt und darf in der Unterstützung nicht nachlassen".

Auch die Grünen im Bundestag drängen auf eine rasche Entscheidung und warnen vor den Folgen des Abwartens. "Auch Verzögern und Verweigern kann einen hohen Preis haben und zur Eskalation beitragen", warnt Agnieszka Brugger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Alle Argumente seien ausgetauscht. "Die Bundesregierung sollte schnell und positiv entscheiden", mahnte Brugger. "Auch wenn natürlich internationale Abstimmungen und ein Ringen bei all diesen verantwortungsschweren Entscheidungen richtig sind."

Grüne: Man kann Absprachen treffen für den Einsatz

Sorgen um einen deutschen Alleingang und die Reichweite der Waffen weisen die Grünen zurück. Frankreich und Großbritannien seien "bereits vorangegangen", sagte Brugger. Die Ukraine habe sich zudem bei den Lieferungen westlicher Partner bisher strikt an die Absprachen gehalten. "Man kann auch beim Einsatz von Taurus Absprachen treffen, welche Ziele und Regionen zum Beispiel ausgenommen werden sollen", sagte Brugger. Auch technische Lösungen für eine Beschränkung der Reichweite seien "zur Not akzeptabel", wenn dies schnell umsetzbar sei.

Den Grünen zufolge könnte die Lieferung der Marschflugkörper der Ukraine entscheidende Vorteile verschaffen. Die militärisch größten Schwächen der russischen Streitkräfte in ihrem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine seien Logistik, Versorgung und Material, sagte Brugger weiter. "Alle Fähigkeiten, die der Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung hier eine größere Reichweite für gezielte Schläge gegen militärische Ziele in diesem Bereich ermöglicht haben, haben im letzten Jahr einen sehr relevanten Unterschied gemacht."

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Scholz sprach sich am Sonntag im ZDF zudem auch für diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine aus. Die Friedensgespräche in Saudi-Arabien seien erst ein Anfang. "Aber trotzdem ist das etwas ganz Besonderes", sagte er und verwies darauf, dass neben lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern auch China an den Gesprächen teilgenommen habe.

Diese könnten sogar ein Weg sein, um Frieden zu ermöglichen. Der Kanzler warb in dem Interview dafür, diese Gespräche fortzusetzen, "weil sie ganz konkret den Druck darauf erhöhen, dass Russland einsieht, dass es einen falschen Weg eingeschlagen hat und Truppen zurückziehen muss und ein Frieden möglich wird".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRüstung für die Ukraine
:Die Waffe, die zu viel kann

Die Bundesregierung scheint der Ukraine den hocheffektiven Marschflugkörper "Taurus" liefern zu wollen. Doch so wie er ist, darf er nicht bleiben.

Von Georg Ismar und Paul-Anton Krüger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: