Scholz auf der Grünen Woche:Ein Hauch von Idylle

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Bundeskanzler Scholz (re.) besucht auf der Grünen Woche den Stand des Deutschen Bauernverbandes mit Präsident Joachim Rukwied. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Beim Rundgang über die Grüne Woche trifft der Kanzler junge Landwirte. Die wissen zwar zu schätzen, dass Scholz vorbeischaut, kündigen aber trotzdem weitere Demonstrationen an.

Von Daniel Brössler, Berlin

Die Tafel ist gedeckt, Olaf Scholz schenkt Kaffee ein. Zur Rechten des Bundeskanzlers sitzt Bauernpräsident Joachim Rukwied, ihm gegenüber vier junge Landwirtinnen und Landwirte. Den Tisch und die Stühle aus weiß lackiertem Holz kann man sich gut vorstellen auf einer sattgrünen Sommerwiese mit Blick auf glücklich weidende Kühe. Ein Hauch von ländlicher Idylle weht durch Halle 3.2 der Messe Berlin.

Genau eine Woche nach der großen Protestfahrt der Traktoren auf Berlin absolviert Scholz einen Rundgang über die Grüne Woche. Die internationale Messe für Landwirtschaft und Ernährung wurde vergangene Woche eröffnet. Traktoren begegnen dem Bundeskanzler hier nur als glänzende Ausstellungsstücke, und auch an der Kaffeetafel geht es höflich zu. "Freundlichkeit muss man, finde ich, bewahren. Gegenseitiger Respekt ist wichtig", sagt Catharina Haenning, die Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Ludwigslust. Scholz wird mit den Sorgen und den Jungbauern konfrontiert, aber eher in der Wellnessvariante.

Es gibt auch Dinge, auf die Scholz stolz ist

Statt der eingeplanten halben Stunde nimmt der Kanzler sich 45 Minuten für das Gespräch, was die jungen Landwirte zu schätzen wissen. Es sei "schön", dass Scholz zugehört habe, sagt Birgit Locher, aus Oberteuringen im Bodenseekreis nach dem Gespräch. Viele in der Branche hätten das in den vergangenen Wochen und Monaten vermisst. Es habe das Gefühl gegeben, "dass man nicht gehört wird".

Locher, Vorsitzende ihres örtlichen Bauernverbandes, hat mehrfach demonstriert, war auch zweimal in Berlin dabei. Ihr geht es um die wegfallenden Steuerbefreiungen beim Agrardiesel, aber ihre Kritik ist grundsätzlicher. Der "Enthusiasmus vieler junger, motivierter, gut ausgebildeter Betriebsleiter trifft auf mangelnde Planungssicherheit durch Beschlüsse, die aus dem Nichts kommen", klagt Locher. Nötig sei eine "Perspektive nicht nur für zwei, drei Jahre, sondern die nächsten zehn, 15, 20 Jahre". Das ist eine Perspektive, über die der Kanzler schon mal lieber redet als über den Agrardiesel.

Scholz wirbt um Verständnis für die politische Situation und die Haushaltslage, und was er in Aussicht stellt, ist vor allem weniger Bürokratie. "Wir in der Bundesregierung haben uns fest vorgenommen, dass wir ganz konkret auch im Gespräch mit der bäuerlichen Landwirtschaft darüber diskutieren, was wir an pragmatischen Dingen unternehmen können, um die wirtschaftliche Tätigkeit dieser Unternehmen zu erleichtern und ihnen eine gute ökonomische Zukunft zu ermöglichen", verkündet Scholz zum Ende seines Rundgangs.

Dass es zu viel Bürokratie gebe, sei ein Satz, "den sehr viele schon sehr oft und sehr lange gesprochen haben, ohne dass es dann hinterher tatsächlich spürbare Konsequenzen gegeben hat", gibt Scholz zu. Die Bundesregierung sei aber "sehr stolz darauf, dass wir mit ziemlich vielen Maßnahmen bereits vorangegangen sind". Man sei allerdings, räumt er ein, noch "weit weg von dem Zustand, den wir uns für die Landwirtschaft der Zukunft vorstellen".

Von einer guten Zukunft sind die jungen Landwirte noch nicht überzeugt

In der Zukunft, das hat Scholz besichtigen dürfen, wird ein Roboter Erdbeeren pflücken, der mithilfe künstlicher Intelligenz rote, reife von unreifen Früchten unterscheiden kann. Seine Frage, ob das denn schon funktioniere, wird Scholz zwar nicht rundheraus mit "Ja" beantwortet. Der Roboter werde, hört Scholz, aber "im nächsten Sommer schon mal auf die Erdbeerfelder geschickt". Zuversicht ist das Gebot der Stunde. Aus seinem Gespräch mit den jungen Landwirten folgert Scholz jedenfalls, man könne "sehr viel Zuversicht schöpfen, weil das mit großem Engagement geschieht, was da jeden Tag auf deren Höfen von ihnen vorgenommen wird, woran man sieht: In der Tat, das ist ein ganz leistungsfähiger Wirtschaftszweig".

Das glauben die jungen Bäuerinnen und Bauern auch, von der guten Zukunft sind sie allerdings bislang nicht so überzeugt. Ihm sei wichtig gewesen, dem Kanzler "mitzugeben, was die jungen Landwirte tatsächlich im Land denken, wie die Stimmung so ist", sagt Thomas Fleischmann, der Landesvorsitzende der Bayerischen Jungbauernschaft. Nicht gut nämlich. In den Betrieben habe man in jüngster Zeit mit vielen neuen Auflagen zu kämpfen gehabt. Dazu komme nun die Kürzung der Steuerbefreiung beim Agrardiesel. Das sei "der Punkt obendrauf, wo wir irgendwann sagen, jetzt können wir nicht mehr".

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Für Arbeitnehmer sei es normal "mehr Geld zu fordern und zu bekommen". Bei den Landwirten sei es umgekehrt: "Wir haben als Branche die Situation, dass wir nicht zehn Prozent mehr bekommen, sondern auf zehn Prozent verzichten müssen." Es werde weiter demonstriert, kündigt Fleischmann an: "Das Thema Agrardiesel ist für uns noch nicht durch, ganz klar. Massive Einschränkungen wollen wir nach wie vor nicht hinnehmen. Auch wenn jetzt ganz viel in Aussicht gestellt wird."

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