Öffentlicher Dienst:"Ich gehe bis zum bitteren Ende"

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3100 Euro brutto verdient Ali Karatas, Instandhalter in einer bayerischen Kläranlage. Er sagt, das reiche einfach nicht mehr. (Foto: Benedikt Peters)

Eine Schlichtung soll den Tarifstreit befrieden, sie beginnt diesen Donnerstag. Die Arbeitgeber sind derweil sauer auf die Gewerkschaften - und die Arbeitnehmer geben sich kampfbereit.

Von Alexander Hagelüken und Benedikt Peters

Für Ali Karatas ist die Sache klar. Mehr Geld müsse her, "deutlich mehr", sagt er. Karatas ist 55 Jahre alt, er arbeitet als Instandhalter in der Kläranlage im bayerischen Moosburg, wartet dort Pumpen und andere Maschinen, dafür bekommt er etwa 3100 Euro brutto. Das reiche einfach nicht mehr, sagt Karatas, seine Frau habe ihre Stelle schon aufgestockt, sie arbeite jetzt Vollzeit als Küchenhilfe. Aber dann sei da auch noch der Wohnungskredit und die zwei Kinder, die sie versorgen müssten.

Karatas ist einer von 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen, für die Ende dieser Woche wichtige Gespräche anstehen. Nachdem die Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern vergangene Woche gescheitert sind, beginnt am Donnerstag die Schlichtung. Verdi und der Beamtenbund fordern eine kräftige Lohnerhöhung: 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro brutto mehr im Monat sollen es sein. Sie verweisen auf Beschäftigte mit wenig Geld, die besonders unter der Inflation litten. "Das würde wirklich helfen", sagt der Klärwerker Karatas.

Die Arbeitgeber boten bisher aber nur zwei Lohnerhöhungen von insgesamt acht Prozent und mindestens 300 Euro monatlich, verteilt auf die nächsten beiden Jahre, dazu eine Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro. Mehr, argumentieren sie, könnten sich vor allem die klammen Kommunen nicht leisten. Von diesen gibt es viele, in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel oder in Rheinland-Pfalz, auch im Osten. Da beide Seiten so nicht zusammenkommen, sollen es nun die Schlichter richten. Sie wollen einen Kompromissvorschlag ausarbeiten. Streng vertraulich soll alles bleiben, es ist nicht einmal bekannt, wo sie sich treffen.

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Die Gemeinden des Landes verzeichnen für das Jahr 2022 einen Überschuss von knapp 2,6 Milliarden Euro - aber auch deutlich höhere Ausgaben.

Ein ehemaliger Staatsrat hätte die entscheidende Stimme

Nur so viel weiß man: Die Schlichtungskommission wird aus 24 Leuten bestehen, je zwölf repräsentieren die Gewerkschafts- und die Arbeitgeberseite. Die Delegation der Arbeitgeber leitet der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), der Chefschlichter auf der Gewerkschaftsseite ist der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (SPD).

Lühr ist zugleich die wichtigste Person des Verfahrens: Sollten sich die Delegationen nicht einigen und es am Ende ein Patt geben, hätte Lühr die entscheidende Stimme. Er könnte einen Einigungsvorschlag durchdrücken, auch gegen den Willen der Schlichter der Arbeitgeberseite. Zwei Wochen sollen die Delegationen im Stillen arbeiten, dann wollen Gewerkschaften und Arbeitgeber auf Basis ihres Einigungsvorschlags noch mal verhandeln. Beide Seiten müssen zustimmen, damit die Schlichtung erfolgreich ist. Sollte sie scheitern, droht ein unbefristeter Arbeitskampf im öffentlichen Dienst wie zuletzt 1992, als tagelang der Müll nicht abgeholt wurde.

Verdi-Chef Frank Werneke hat bereits recht klar formuliert, was aus seiner Sicht für eine Einigung notwendig ist, und er klingt dabei ähnlich wie der Klärwerker Karatas. Mehr Geld müsse her, also deutlich mehr als die Lohnerhöhung, welche die Arbeitgeber angeboten haben. "Wir fordern 500 Euro", hatte Werneke in Bezug auf den monatlichen Mindestbetrag nach dem Scheitern der Verhandlungen bekräftigt. Zugeständnisse, so deutete es der Verdi-Chef an, könne es allenfalls bei der Laufzeit des Tarifvertrags geben. Die Gewerkschaften verlangen eine Laufzeit von einem Jahr, danach wollen sie wieder über höhere Gehälter verhandeln. Es wäre aber denkbar, den Vertrag länger laufen zu lassen - dann hätten die Arbeitgeber mehr Planungssicherheit und müssten nicht so bald schon über die nächsten Lohnerhöhungen diskutieren.

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Geplant seien kleinere, einzelne Aktionen bis Sonntag, sagt Frank Werneke. Ab Mitte April droht die Gewerkschaft dann, Deutschland komplett lahmzulegen.

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Welges Wut über die Warnstreiks

Ob die Arbeitgeber da mitgehen können? Das ist fraglich, nicht nur wegen der mancherorts angespannten Haushaltslage. Die Forderungen würden die Kommunen 15,4 Milliarden Euro kosten, sagt ihre Chefverhandlerin Karin Welge (SPD), im Hauptjob ist sie Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen. Die Gewerkschaften, sagt Welge der Süddeutschen Zeitung, wollten offenbar nicht verstehen, dass es langfristig niemandem nutze, die Gehälter so stark zu erhöhen. Die kommunale Daseinsvorsorge finanziere sich aus Steuern, Gebühren und Abgaben. Würden diese aufgrund gestiegener Ausgaben angepasst werden, würde es jeden im Land belasten. "Dass für Investitionen in Bildung, Klimaschutz oder Mobilitätswende Geld vorhanden sein muss, müsste sich auch den Gewerkschaften erschließen."

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Die Stimmung zwischen beiden Seiten ist vergiftet, auch das dürfte die Verhandlungen nach der Schlichtung erschweren. So wirkt Welge in diesen Tagen regelrecht wütend darüber, dass die Gewerkschaften bereits seit Februar zahlreiche heftige Warnstreiks organisiert haben. Einmal legten sie sogar deutschlandweit den Verkehr lahm und ließen die Verhandlungen schließlich scheitern.

"Was ich klarstellen möchte, gerade weil die Gewerkschaften das Narrativ schüren, die bösen Kommunen hätten sich nicht ausreichend bewegt: Wir waren zu jedem Zeitpunkt einigungsbereit", sagt Welge. Sie gewinne allmählich den Eindruck, dass Verdi statt an einem Kompromiss eher ein Interesse an weiteren Arbeitskämpfen habe. "Eine solche Eskalation wäre jedoch rücksichtslos gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land. Es muss auch mal Schluss sein, ein ganzes Land in Ausnahmezustand zu versetzen."

Der Klärwerker Ali Karatas sieht das anders. Er ärgert sich besonders, dass die Arbeitgeber in den Verhandlungen forderten, insbesondere Führungskräfte müssten mehr Geld verdienen. Dadurch, argumentierten die Arbeitgeber, solle es attraktiver werden, mehr Verantwortung im öffentlichen Dienst zu übernehmen. "Dabei verdienen die doch schon 1000, 1500 Euro mehr als wir", sagt der Klärwerker. "Aber wir sind diejenigen, die jetzt wirklich mehr Geld brauchen." Sollten die Gespräche auch nach der Schlichtung scheitern, würde er in der Urabstimmung, die Verdi dann einleiten will, für unbefristeten Streik stimmen. Er sagt: "Ich gehe bis zum bitteren Ende."

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