Schleswig-Holstein:"Wir können gewinnen, wenn wir nur wollen"

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Der demütigende Rauswurf aus der Regierung in Kiel hat die SPD noch einmal zusammengeschweißt. Sie hat Ralf Stegner zu ihrem Spitzenkandidaten gewählt.

Der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner ist nun offiziell Herausforderer von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) bei der vorgezogenen Landtagswahl im September. Der 49-jährige Ex-Finanzminister wurde am Freitagabend auf einem Parteitag in Lübeck mit 89,32 Prozent der Delegiertenstimmen zum SPD-Spitzenkandidaten für den Urnengang am 27. September bestimmt. 92 von 102 Stimmen sprachen sich für Stegner aus. Es gab 9 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen.

SPD-Spitzenkandidat Ralf Stegner gibt sich zuversichtlich. (Foto: Foto: AP)

Für seine gut einstündige Rede erhielt Stegner minutenlangen Beifall. Er machte seiner Partei Mut und sprach sogar vom Wahlsieg. "Wir können gewinnen, wenn wir nur wollen", sagte er kämpferisch.

Auch der SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering schwor die Delegierten auf den bevorstehenden Wahlkampf ein.

Im nördlichsten Bundesland finden im September sowohl Bundestags- als auch Landtagswahlen statt, nachdem die Koalition aus CDU und SPD im Juli geplatzt war. Ministerpräsident Carstensen hatte mit einer fingierten Vertrauensfrage die vorgezogenen Neuwahlen durchgesetzt, nachdem sein Antrag auf Neuwahlen am Widerstand der SPD gescheitert war.

Während seiner Rede erntete Stegner lautstarke Zustimmung der Delegierten, wann immer er auf die Rolle der CDU in der Regierungskrise zu sprechen kam. Diese habe die Koalition platzen lassen, weil sie wegen der verlockenden Umfragewerte für Schwarz-Gelb die Wahl habe vorziehen wollen, sagte er. Zudem habesie von eigenen Fehlern ablenken wollen, wie dem Debakel um die Zahlungen an die staatliche HSH Nordbank.

Die CDU habe das Bündnis aufgekündigt und wolle der SPD die Schuld in die Schuhe schieben, sagte Stegner. "Ein Mindestmaß an Anstand hat gefehlt", erklärte er in Hinblick auf die Entlassung der vier SPD-Minister durch Ministerpräsident Carstensen. Diese mussten ihre Büros innerhalb eines Tages räumen.

Müntefering forderte zu mehr Demokratie auf und kritisierte die Parteiprogramme von FDP und CDU für die Bundestagswahl. Wenn im FDP-Programm kein Kündigungsschutz für Betriebe mit weniger als 20 Angestellten vorgesehen sei, sei das etwas, "das mit unserem Verständnis von Demokratie nichts zu tun hat", sagte er. Im Wahlprogramm der CDU komme der Begriff "soziale Gerechtigkeit" nicht ein einziges Mal vor.

Ein Schwerpunkt des Regierungsprogramms der schleswig-holsteinischen SPD für 2009 bis 2014 soll laut Stegner die Bildungspolitik sein, die allen Kindern unabhängig von ihrer Herkunft gerechte Chancen einräumen müsse. Die SPD wolle sich gegen Studiengebühren und Mindestlohn, Gleichstellung und einheitliche Kita-Standards einsetzen.

Zudem müsse die Energiewende geschafft werden, sagte Stegner. Wenn es eine Lehre aus den Problemen mit dem pannengeplagten Atomkraftwerk Krümmel gebe, dann die, dass der Ausstieg eher früher als später stattfinden sollte. Man habe es mit einem Betreiber zu tun, dem man "nicht einmal die Aufsicht über eine Pommesbude geben würde", sagte Stegner.

Stegner zeigte sich kampfbereit: "Das wird eine sehr außergewöhnliche Wahl werden." Es gebe einen steifen Wind von vorn, aber selten seien die Alternativen so klar gewesen. Die Frage sei, wer es aushalte, wenn der Wind von vorn komme. Der Landesparteitag wurde am Samstag fortgesetzt. Dabei sollten die weiteren Listenplätze bestimmt und das Wahlprogramm verabschiedet werden. Für die Plätze zwei und drei schlugen die Spitzengremien die Ex-Minister Gitta Trauernicht (58) und Lothar Hay (59) vor. Auf den ersten 14 Plätzen rangieren Politiker, die auch dem jetzigen Landtag angehören.

Die frühere schleswig-holsteinische Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave hat den Ministerpräsidenten Carstensen für die Entlassung der SPD-Minister indes erneut scharf kritisiert. Sie sei "wie ein Eierdieb vom Hof gejagt" worden, sagte Erdsiek-Rave am Sonnabend auf dem Landesparteitag der SPD in Lübeck. Der passionierte Jäger Carstensen habe mit seinem Vorgehen aus dem Hinterhalt geschossen. "Dafür gehört ihm der Waffenschein entzogen." Carstensens Taktiererei sei ein Tiefpunkt der politischen Kultur. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass das Land in Feindseligkeiten und verbitterte Kämpfe zurückfalle, sagte Erdsiek-Rave.

Die FDP hat unterdessen eine Koalition mit SPD und Grünen ausgeschlossen. In der aktuellen Konstellation sei ein solches Bündnis undenkbar, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki in Kiel. "Wir werden definitiv Ralf Stegner nicht zum Ministerpräsidenten wählen", bekräftigte Kubicki mit Blick auf den SPD-Landes- und Fraktionschef. "Die Schleswig-Holsteiner haben die Wahl zwischen Schwarz-Gelb, Rot-Rot-Grün und einer Neuauflage der großen Koalition." Es werde keine Regierungsbeteiligung der FDP um jeden Preis geben, betonte Kubicki.

Wenn es für Schwarz-Gelb reiche, erwarte er längere Diskussionen mit der CDU in der Innen- und Rechtspolitik. "Da sind die Vorstellungen nicht unbedingt deckungsgleich. Das wäre die größte Baustelle." Die Unterschiede seien aber nicht unüberwindlich. Bei einer Nord-SPD unter anderer Führung könnten sich für die Freidemokraten die Koalitionsoptionen in Zukunft vielleicht erweitern, sagte der FDP-Politiker.

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