Landtagswahl in Schleswig-Holstein:Duell der Juniorpartner

Lesezeit: 3 min

Qual nach der Wahl: Ministerpräsident Günther muss entscheiden, ob er lieber mit der FDP oder den Grünen koalieren will. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Noch regiert in Kiel eine schwarz-grün-gelbe Koalition. Doch vor der Landtagswahl am 8. Mai zeichnet sich eine Mehrheit für ein Zweierbündnis ab. Wer setzt sich durch an der Seite der CDU, die Grünen oder die Liberalen?

Von Peter Burghardt, Rendsburg

Die Kandidatin der Grünen ist futuristisch gekleidet an diesem Nachmittag, oder täuscht das? Monika Heinold trägt ein schwarzes Kleid und einen grünen Schal. "Ziemlich schwarz-grün", sagt Karin Prien von der CDU, die rechts von ihr auf der Bühne steht. Seit 2017 regiert Jamaika in Schleswig-Holstein, also Schwarz-Grün-Gelb. Aber laut Umfragen haben die Union und die Grünen vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am 8. Mai eine deutliche Mehrheit. Für CDU und FDP könnte es allerdings auch reichen.

Der norddeutsche Unternehmertag in Rendsburg, eine Fabrikhalle am Nord-Ostsee-Kanal. Draußen fahren einen Steinwurf entfernt Frachter vorbei. Nebenan liegt die inzwischen verkaufte Nobiskrug-Werft, die unter anderem das Spielzeug eines mittlerweile sanktionierten Oligarchen aus Russland gebaut hat. "German Superyachts for the 22nd century" steht dort an der Fassade.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alle Meldungen zur aktuellen Situation in der Ukraine und weltweit - im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Nachrichten-Newsletter bringt Sie zweimal täglich auf den neuesten Stand. Hier kostenlos anmelden.

Drinnen bei der Hansewerk AG geht es um die künftige Landesregierung im 21. Jahrhundert. Vor 400 Geschäftsleuten stehen die Spitzenkandidaten der fünf Landtagsfraktionen auf dem Podium, die AfD hat keine eigene Fraktion. Bildungsministerin Prien vertritt die CDU bei dieser Debatte, den Ministerpräsidenten Daniel Günther hat mitten im Wahlkampf Corona ereilt. Links von der Grünen Monika Heinold, seit zehn Jahren Finanzministerin, ist Bernd Buchholz von der FDP postiert, der Wirtschaftsminister. Wer macht bald mit der CDU weiter? Die Grünen? Die FDP?

Eine Ampel wie im Bund ist unwahrscheinlich

Auf die zwei kommt es bei der Wahl im deutschen Norden besonders an. Der populäre Ministerpräsident Günther wird voraussichtlich klar gewinnen, Infratest dimap rechnet mit 38 Prozent für die CDU. Es folgen die SPD mit Thomas Losse-Müller (19 Prozent) und Heinolds Grüne (16 Prozent). Auf Platz vier liegt Buchholz' FDP (9 Prozent). Es sieht so aus, als hätte Günther bald keinen Bedarf mehr für ein Trio, als würde ein Duo genügen. Eine Ampel-Koalition wäre rechnerisch nur gemeinsam mit dem SSW (5 Prozent) möglich und ist sehr unwahrscheinlich. Grün und Gelb dürften entscheidend sein für eine schwarz geführte Regierung sein.

Die Partner sind nun auch Gegner. Die Grüne Heinold, 63, kommt sofort zur Sache, die frühere Erzieherin ist eine energische Frau. Sie knöpft sich den Wahl-Slogan von Günthers CDU vor: "Kurs halten". Das sei in diesen Zeiten "deutlich zu wenig, wir brauchen mehr Tempo". Die Situation zeige, "dass das Festhalten an Fossilem falsch war". Die Klimaziele seien ja jetzt auch sicherheitspolitische Ziele, da sei mehr Dynamik nötig, mehr Mut.

"Mehr Dynamik", sagt kurz danach der ebenso beschwingte FDP-Mann Buchholz, vormals Verlagsmanager, "ist ja genau mein Text, Monika." Warum sei man denn nicht vorangekommen bei der A 20 (der Verlängerung jener Autobahn an die Westküste), warum gehe es erst jetzt vorwärts beim LNG-Terminal (in Brunsbüttel). Heinolds Landeschef habe die A 20 ein "Dinosaurier-Projekt" genannt, und die Grünen hätten auf ihrem Landesparteitag das LNG-Terminal abgelehnt.

"Wo ist das Terminal, Bernd?"

Buchholz wird laut, er gestikuliert, seine etwas kleinere Nachbarin Heinold geht ansatzweise in Deckung. Doch sie kontert schnell. LNG stehe ja im Koalitionsvertrag, sagt sie, "wir haben das als Grüne nicht blockiert in fünf Jahren, ich habe dir 50 Millionen Euro mit auf den Weg gegeben. Wo ist das Terminal, Bernd?"

"Liebe Monika", sagt Bernd Buchholz und verweist auf Robert Habeck, den Bundeswirtschaftsminister von den Grünen. Monika Heinold unterbricht: "Der ist seit fünf Monaten im Amt, Bernd, du bist seit fünf Jahren im Amt!" Buchholz macht weiter, Habeck habe private Investoren in die Flucht getrieben, und die Grünen seien bei LNG-Schiffen auf der Bremse gestanden. Heinold kontert: "Ich frage mich, wo du die letzten fünf Jahre warst, wir haben auf gar keiner Bremse gestanden. Es steht im Koalitionsvertrag, du hast Geld, du bist zuständig. Was ist denn hier los?"

Die zwei sind kein schlechter Ersatz für die nach Berlin abgewanderten Alphatiere Robert Habeck und Wolfgang Kubicki. Es ist eine Art Stand-up-Kabarett, begleitet von Gelächter und Applaus der Anzugträger. Der Liberale Buchholz hat ein Heimspiel bei den Wirtschaftsvertretern, aber auch die Grüne Heinold genießt Respekt, weil unter ihrer Ägide der Landeshaushalt saniert wurde.

Beim Tempolimit endet die Harmonie

In Umweltfragen mussten sich die Grünen von CDU und FDP einbremsen lassen, auch die Zahl der Windräder wuchs nicht. Gestritten wird nun außerdem über ein Tempolimit, das die Grünen genauso fordern wie die SPD. Da stößt die Harmonie bei Jamaika an Grenzen. Doch grundsätzlich verstanden sich CDU, Grüne und FDP bisher trotz allem recht gut, das ist auch bei dieser Gesprächsrunde zu beobachten.

Man neckt sich, man schätzt sich. "Bei allem Wettbewerb, in Kabinettssitzungen geht es ruhiger zu", versichert Buchholz dem Publikum. "Wir sind uns menschlich gewogen", jeder dürfe seinen Punkt machen. Das betonen die Jamaikaner in Kiel seit Jahren: dass man verschwiegener verhandelt habe als die gescheiterten Jamaikaner in Berlin und dass man sich gegenseitig Erfolge gönne. "Warum klappt das?", fragt Monika Heinold. "Weil wir vernünftig miteinander reden."

Die Grünen fühlen sich in Jamaika fast wohler als zuvor in der sogenannten Küstenkoalition mit SPD und Südschleswigschem Wählerverband (SSW). Doch angesichts der mutmaßlichen Stimmverhältnisse dürfte das Trio von einem schwarz-grünen oder gar schwarz-gelben Duett beerbt werden. Wobei Monika Heinold am liebsten erste grüne Ministerpräsidentin zwischen den Meeren werden würde, was nur in einer grünen Ampel ginge. Derzeit ist sie CDU-Günthers Vize, nicht Buchholz, daran erinnert in Rendsburg kurz der Moderator. Man konzentriere sich halt auf die, "die's können", sagt die stellvertretende Ministerpräsidentin Heinold von den Grünen. "In der Tat", sagt der Wirtschaftsminister Buchholz von der FDP, "sie ist eine super Finanzministerin."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFriedrich Merz und Daniel Günther
:Eine neue Männerfreundschaft

Daniel Günther gehörte immer zu jenen in der CDU, die versucht haben, Friedrich Merz an der Parteispitze zu verhindern. Merz wiederum ist nie als Günther-Fan aufgefallen. Und nun?

Von Robert Roßmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: