Pkw-Maut:Scheuer wird zum Verteidigungsminister

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Er habe sich nichts vorzuwerfen, befindet Scheuer. (Foto: REUTERS)
  • Bevor der Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut startet, verteidigt Verkehrsminister Andreas Scheuer seine Arbeit.
  • Er sieht bei sich keine Schuld für das Debakel und hält auch die Schadensersatzforderung der Mautbetreiber für nicht gerechtfertigt.
  • Scheuers Auftritt ist eher in Richtung Attacke.

Von Markus Balser, Berlin

Kurz vor dem Start des Bundestagsuntersuchungsausschusses zur Pkw-Maut hatte Verkehrsminister Andreas Scheuer am Mittwoch noch einmal zur Pressekonferenz geladen. Wer ihm in der großen Halle seines Ministeriums zuhörte, fragte sich nach ein paar Minuten, ob der CSU-Politiker den Kampf um sein politisches Überleben urplötzlich aufgeben wolle. Scheuer sprach ungewohnt nachdenklich vom Amtseid, den er geleistet und jeden Tag erfüllt habe. Sogar von Fehlern seines Hauses war die Rede. Er fühle Demut und Respekt vor der Verantwortung seines Postens. Als Minister sei er angetreten, um das Leben der Menschen in Deutschland besser zu machen.

Doch mit jedem weiteren Satz wurde klar: Scheuer leitete angesichts des Mautdebakels da gerade keineswegs den eigenen Rückzug ein. Im Gegenteil. Der staatstragende Start war eher als Vorlage für die Abrechnung mit seinen Kritikern gedacht. Denen gehe es längst nicht mehr um die Sache, sondern nur um seinen Kopf, wetterte Scheuer in Richtung Opposition. Denn Grüne, FDP und Linke wollen ihn ab Donnerstag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Pkw-Maut-Debakel in die Mangel nehmen.

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Das Verkehrsministerium soll mit seinem Vorgehen bei der Pkw-Maut gegen Haushalts- und Vergaberecht verstoßen und den Bundestag hintergangen haben. Der Druck auf Minister Scheuer wächst.

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Im schlichten Sitzungssaal E.200 im Paul-Löbe-Haus des Bundestags beginnt dann um 11.15 Uhr ein ziemlich wichtiges Kapitel in der Karriere des Ministers. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) eröffnet die erste Sitzung, das zeigt die Bedeutung dieses parlamentarischen Ausschusses. Er hat sich auf Betreiben von Grünen, FDP und Linken zum Ziel gesetzt, die gesamten Mautvorbereitungen seit dem Start der vorherigen großen Koalition Ende 2013 zu durchleuchten. Geklärt werden soll etwa, ob Scheuer den Bundestag belog und die wahren Kosten verschleierte. Deshalb sollen unter anderem Inhalte von Geheimtreffen mit den Mautbetreibern aufgeklärt werden.

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Vor dem Start machte Scheuer am Mittwoch noch mal seine eigene Haltung klar. Die drohende Schadenersatzforderung der Mautbetreiber halte er nicht für gerechtfertigt, sagte Scheuer. Die Unternehmen hätten die erwarteten Leistungen nicht erbracht und Meilensteine verfehlt. Die Kritik des Bundesrechnungshofs, sein Ministerium habe mit Tricks bei der Mauteinführung Vergabe- und Haushaltsrecht gebrochen, wies er zurück und warf der Behörde vor, nicht ordentlich gearbeitet zu haben. Er habe sich nichts vorzuwerfen, befand Scheuer. Zwar kündigte der Minister an, zum Jahresende auch seine Rolle noch mal kritisch zu hinterfragen. Das Ergebnis aber scheint für ihn schon klar zu sein: Vom ersten Tag 2020 werde er durchstarten und die Mobilität im Land weiter verändern, kündigte Scheuer an. Nicht sein Schicksal stehe dabei im Zentrum. "Es geht mir um das Wohl der Menschen", sagte der Minister.

Doch bei der Opposition wachsen die Zweifel, ob das Allgemeinwohl bei der Einführung des CSU-Prestigeprojekts und Wahlkampfschlagers Pkw-Maut wirklich im Vordergrund stand. Wegen der eilig geschlossenen Verträge drohen dem Steuerzahler Schadenersatzforderungen der Betreiber von bis zu 500 Millionen Euro. Schon jetzt summieren sich die Kosten der geplatzten Mauteinführung auf mehr als 70 Millionen Euro.

Als Scheuer 2018 Verkehrsminister wurde, trieb er den Start der Maut mit hohem Tempo voran. Sein Ziel: die Einführung im Oktober 2020. Doch der Europäische Gerichtshof durchkreuzte die Pläne und erklärte die Maut im Juni 2019 für rechtswidrig, weil sie Ausländer diskriminiere. Scheuer steht nun unter enormem Druck, weil er die Verträge mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim schon Ende 2018 abschloss - lange bevor Klarheit bestand, ob er das Projekt umsetzen darf. Zwar hat Scheuer den Abgeordneten bereits im Vorfeld 50 Aktenordner an Mautunterlagen zur Aufklärung zur Verfügung gestellt. Doch der Opposition reicht das nicht. Sie beklagt, dass zentrale Unterlagen fehlen. Die FDP-Abgeordneten Oliver Luksic und Christian Jung wollen etwa wissen, was in den nicht protokollierten Geheimgesprächen mit den Mautbetreibern besprochen wurde, um die Kosten von drei auf zwei Milliarden Euro zu senken. Scheuer erklärte dazu am Mittwoch, bei einem Treffen am 3. Oktober sei es lediglich um einen allgemeinen Austausch zur technischen Umsetzung gegangen. Die Finanzen hätten keine Rolle gespielt. Man werde nicht nur den Minister, sondern das ganze Ministerium unter die Lupe nehmen, kündigte Stephan Kühn (Grüne) an. Der designierte Vorsitzende des Ausschusses, Udo Schiefner, erklärte, dass auch die Sozialdemokraten viele Fragen hätten.

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist ein mächtiges Instrument der Opposition, um das Regierungshandeln zu überprüfen. Das Gremium kann selbst Zeugen laden und vernehmen und ihr Erscheinen erzwingen. Neben Scheuer und den Chefs der Mautbetreiber sollen zahlreiche Spitzenbeamte und ehemalige Minister geladen werden.

© SZ vom 12.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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