Nach monatelanger Aufklärung des Mautdebakels werfen Grüne, FDP und Linke Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Rechtsbruch und massive Fehler vor. Scheuers Ministerium soll beim Abschluss der milliardenschweren Verträge mit den Betreibern Haushalts- und Vergaberecht gebrochen und den Bundestag über die wahren Kosten der Pkw-Maut "vorsätzlich getäuscht" haben. So geht es aus dem 270-seitigen Entwurf für den Oppositionsteil des Abschlussberichts hervor. Das Papier der drei Bundestagsfraktionen liegt der Süddeutschen Zeitung vor.
Dem Bericht zufolge versuchte das Ministerium, die wahren Kosten des CSU-Prestigeprojekts auch gegenüber dem Parlament zu verschleiern, um es realisieren zu können. Bereitgestellt hatte der Bundestag Scheuer 2018 rund zwei Milliarden Euro. Die Betreiber forderten jedoch drei Milliarden. Durch intransparente und nicht nachvollziehbare "Kostenverschiebungen" habe das Ministerium die Zahlung an die Betreiber auf zwei Milliarden Euro gesenkt. Das sei jedoch "nur auf dem Papier" passiert. Die Kosten wären später in teils "unbekannter Höhe" angefallen. Die drei Fraktionen gehen davon aus, dass dies den Bundeshaushalt über Jahre belastet hätte. "Auch der Minister musste dies wissen", heißt es weiter.
Radverkehrsplan:Scheuer will Deutschland zum "Fahrradland" machen
Fast 1,5 Milliarden Euro will der Bund in den kommenden Jahren in Radwege, Parkhäuser oder auch Studiengänge stecken. "Der Druck ist ja da", sagt der Verkehrsminister - die Deutschen fahren immer mehr Rad.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die Maut, die praktisch nur Ausländer zahlen sollten, im Juni 2019 wegen Diskriminierung als rechtswidrig eingestuft und damit gekippt. Die Milliardenverträge hatte Scheuer da längst unterzeichnen lassen. Für den Steuerzahler könnte die nie realisierte Maut deshalb teuer werden. Über eine halbe Milliarde Euro fordern die Betreiber vor einem Schiedsgericht an Schadenersatz. Die Verträge garantieren ihnen selbst bei einem Scheitern der Maut vor Gericht hohe Summen. Laut Opposition hätte Scheuer das leicht verhindern können. Der Bietervertrag sei jedoch "ohne Abschätzung möglicher materieller Folgen eines negativen EuGH-Urteils unterschrieben" worden, heißt es.
Der Untersuchungsausschuss zählt zu den aufwendigsten der vergangenen Jahre. Seit Anfang 2020 vernahmen die Abgeordneten Dutzende Zeugen. In den teils geheimen Akten befinden sich eine Million Blätter in 38 000 Dateien. Vor zwei Wochen legten Union und SPD bereits ihren Teil des Abschlussberichts vor. Auch sie werfen Scheuer schwere Fehler vor, sehen aber keinen Rechtsbruch. Scheuer bestreitet die Vorwürfe. Der Ausschuss will am Donnerstag über den Berichtsentwurf beraten.
Aus den Reihen der Opposition fordern Parlamentarier nun endgültig, dass der Minister Verantwortung übernimmt. "Dass man mehrere Hundert Seiten füllen muss, um die Verfehlungen des Verkehrsministeriums und dessen Spitze aufzulisten, spricht schon eine deutliche Sprache", sagt Jörg Cezanne, Obmann der Linken-Fraktion im Untersuchungsausschuss. "Wenn ein Minister einen solchen Scherbenhaufen hinterlässt, muss er persönliche Konsequenzen ziehen und sein Amt zur Verfügung stellen."