Krieg in der Ukraine:Gipfeltreffen in Dschidda

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Ukraines Präsident Wolodimir Selenskij reiste bereits Mitte Mai nach Dschidda, um am Treffen der Arabischen Liga teilzunehmen. (Foto: AP)

Saudi-Arabien lädt am Wochenende Vertreter aus fast 30 Ländern zu einer Friedenskonferenz für die Ukraine ein. Russland wird nicht dabei sein. Aber die Golfmonarchie gilt als enger Verbündeter Moskaus - und sehnt sich nach einem neuen Image.

Von Florian Hassel und Dunja Ramadan, Belgrad

Für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman ist das kommende Wochenende bereits ein erfolgreiches Wochenende. Denn nationale Sicherheitsberater und andere hohe Regierungsbeamte aus fast 30 Ländern werden ins Königreich reisen, um zwei Tage lang über Wege aus dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beraten. Angekündigt sind unter anderem Vertreter der Ukraine, der USA, der EU, Großbritanniens sowie aus Chile, Indonesien, Ägypten und der Türkei.

Noch vor wenigen Jahren wurde bin Salman von einigen dieser Führer gemieden, immerhin sahen Geheimdienste ihn als Auftraggeber für den Mord am saudischen Publizisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul 2018. Doch spätestens nach Beginn des Ukraine-Krieges und den gestiegenen Ölpreisen erwuchs bei vielen Staatenlenkern die Erkenntnis: Der Herrscher in Riad ist zu mächtig, um ihn als "Paria" zu behandeln, wie US-Präsident Joe Biden im Wahlkampf 2020 angekündigt hatte.

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:Russland: Konferenz von Dschidda zum Scheitern verurteilt

Aus Moskau gibt es Kritik an dem Treffen in Saudi-Arabien, auf dem der Krieg in der Ukraine Thema war. Aus Kiew hieß es unterdessen, die Beratungen seien produktiv gewesen.

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Auch wenn Russland nicht teilnimmt, die Beziehungen zu Riad sind eng

Stattdessen will sich Mohammed bin Salman nun als Vermittler inszenieren, dessen Einfluss über die Region hinaus wirkt. Anfang des Jahres besuchte sein Außenminister Prinz Faisal bin Farhan al-Saud mit einer hochrangigen Delegation Kiew und sicherte der Ukraine humanitäre Hilfe in Höhe von 400 Millionen US-Dollar zu. Außerdem half Saudi-Arabien im vergangenen September bei einem Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine. Das neue Image, das Riad seit Kurzem anstrebt: Wir können mit allen - mit China, Iran und eben auch mit Russland und der Ukraine.

"Der Friedensgipfel", wie er von einigen arabischen Medien bereits getauft wurde, findet in der saudischen Küstenstadt Dschidda statt und wird von seinem nationalen Sicherheitsberater und Staatsminister Musaid al-Aiban geleitet. Russland wurde nicht eingeladen, wird das Treffen aber laut Kremlsprecher Dmitrij Peskow "verfolgen". Man müsse erst verstehen, was die Ziele der geplanten Gespräche seien und was besprochen werden solle, sagte Peskow am Montag. Alle Versuche, eine friedliche Lösung zu fördern, seien "eine positive Bewertung wert".

Die Abwesenheit Russlands sagt nichts über die weiter sehr guten Beziehungen zur Golfmonarchie aus. Zwar hat Saudi-Arabien die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats gebilligt, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilten. Doch wie viele Länder in der Region hat auch Saudi-Arabien es vermieden, der westlichen Forderung nach einem Bruch mit Russland nachzukommen. Stattdessen stimmt sich Riad im Ölkartell Opec+ mit Moskau bezüglich der Energiepreise ab - und brüskiert damit regelmäßig US-Präsident Joe Biden, der auf niedrige Ölpreise hofft. Man kann also davon ausgehen, dass Saudi-Arabien beim Gipfeltreffen am Wochenende auch die russische Haltung im Blick behalten wird.

Der ukrainische Friedensplan hat in absehbarer Zeit keine Chance auf Verwirklichung

Bereits Mitte Mai war der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij Gast des Gipfeltreffens der Arabischen Liga in Saudi-Arabien und traf dort auf Mohammed bin Salman. Selenskijs Aufforderung, sich von Russland zu distanzieren, stieß freilich auf ebenso wenig Resonanz wie sein Zehn-Punkte-Friedensplan, über den in Dschidda Selenskijs Stabschef zufolge offenbar diskutiert werden soll. Zuerst hatte Selenskij seine zehn Punkte im September 2022 auf der UN-Vollversammlung präsentiert, ausführlich dann am 15. November 2022 per Videoansprache auf einem Treffen der G20 in Indonesien.

Die Punkte sind in erster Linie ein Forderungskatalog an Russland - vom Abzug der Soldaten aus dem Atomkraftwerk Saporischschja und dem Rückzug aller russischen Truppen aus allen besetzten ukrainischen Gebieten einschließlich der Krim über eine unbefristete Verlängerung des im Juli 2022 beschlossenen (und nun von Präsident Wladimir Putin aufgekündigten) Schwarzmeer-Getreidekorridors bis hin zur Freilassung Hunderttausender deportierter Ukrainer und politischer Gefangener.

Zudem solle die internationale Gemeinschaft ein Tribunal zur Verfolgung russischer Kriegsverbrechen schaffen sowie einen Mechanismus zur Aufnahme der Umweltschäden, Preise für russische Energieexporte begrenzen und einen Topf zur Entschädigung ukrainischer Schäden einrichten. Außerdem solle die Ukraine Sicherheitsgarantien bekommen und ein Dokument über das Kriegsende unterschrieben werden.

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Mit Ausnahme einer von G7 und EU Anfang Dezember 2022 beschlossenen Preisobergrenze für russisches Öl von 60 Dollar pro Fass ist nichts davon verwirklicht, in absehbarer Zeit besteht keine Chance auf Verwirklichung. Als Selenskij seine zehn Punkte präsentierte, hatte seine Armee große Erfolge in der Ostukraine erzielt und Cherson befreit. Die Ukraine werde ihr gesamtes besetztes Territorium - bis heute rund ein Fünftel des Staatsgebietes - befreien. "Der Sieg wird auf jeden Fall unser sein!", gab sich Selenskij zuversichtlich, und deswegen solle man versuchen, die ukrainische Friedensformel umzusetzen.

Doch ein ukrainischer Sieg ist nicht in Sicht

Das US-Militär analysierte indes Anfang Februar 2023, die Ukraine könne nur "bescheidene Geländegewinne" erzielen. Diese Voraussage hat sich bestätigt: Ein ukrainischer Sieg ist nicht in Sicht - und damit auch keine Umsetzung des Zehn-Punkte-Plans. Bisher fehlt jedweder Anhaltspunkt für Fortschritte an der Friedensfront. Putin hat den Zehn-Punkte-Plan schon im Dezember 2022 zurückgewiesen und seitdem oft bekräftigt, dass er den Krieg fortführen will und zu keinerlei Rückzug bereit ist.

Für Saudi-Arabien wäre die Ausarbeitung eines Kompromisses gerade zu diesem festgefahrenen Zeitpunkt ein großer Erfolg. Im Juni hatten bereits ähnliche Gespräche in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen stattgefunden. Für dieses Jahr soll noch ein "weltweiter Friedensgipfel" auf Ebene von Staats- und Regierungschefs geplant sein, um den Krieg zu beenden.

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