Beängstigend an den Beziehungen zwischen Washington und Moskau ist die Nähe der Extreme. Zwischen Verbrüderung und Krieg liegt scheinbar nur noch ein Schritt. Der Raum dazwischen ist gefährlich zusammengeschrumpft. Es ist der Raum, in dem sich gewöhnlich die Diplomatie bewegt. In dem Lösungen ausgehandelt werden, mit denen alle Seiten leben können, auch wenn sie sich nicht gerade lieb haben.
Krieg will keiner, aber eine Verbrüderung zwischen Donald Trump und Wladimir Putin ist auch keine beruhigende Vorstellung. Nachdem sie sich auf Distanz erst mit Lob, dann mit Vorwürfen überhäuft haben, musste US-Außenminister Rex Tillerson am Mittwoch in Moskau testen, was man in dem Zwischenraum noch bewegen kann. Walzer tanzen, das hatte sein russischer Kollege Sergej Lawrow klargemacht, geht jedenfalls nicht.
Fast wäre Putins Kalkül in Syrien aufgegangen
Nach einer Zeit, in der Putin alles zugetraut wurde, von der Dominanz im Nahen Osten über die Spaltung Europas bis hin zur Manipulation der US-Wahlen, steht der russische Präsident plötzlich wieder isoliert da. Das erinnert an den Juni 2014, als eine Boeing der Malaysia Airlines von einer russischen Flugabwehrrakete aus dem Separatistengebiet im Osten der Ukraine abgeschossen wurde. Nachdem die Weltgemeinschaft zuvor tatenlos zugesehen hatte, wie Russland einen Krieg im Nachbarland anfachte, brachte der Schrecken über 298 tote Passagiere die Entschlossenheit, dem etwas entgegenzusetzen.
Um aus der Isolation zu kommen, eröffnete Putin ein Jahr später einen neuen Schauplatz in Syrien und rief zum gemeinsamen Kampf gegen den islamistischen Terrorismus auf. Fast wäre das Kalkül aufgegangen. Auch für Trump hatte das Zurückdrängen des IS Priorität, das Schicksal des syrischen Diktators Baschar al-Assad erschien ihm zweitrangig - bis die Bilder der Kinder von Khan Scheikhun um die Welt gingen, die am Gift erstickten.
Dass ein Akteur wie Trump Russland unter Druck setzt, ist bittere Ironie
In beiden Fällen hat Putin sich mit finsteren Kräften verbündet, die er am Ende nicht unter Kontrolle hatte. Sie erfüllten eine Weile ihren Zweck, aber die Rechnung kam unweigerlich. Assad nutzte die russische Hilfe gern, solange es darum ging, seiner geschwächten Armee militärische Erfolge zu bescheren wie bei der Rückeroberung von Aleppo. An dem von Moskau ins Leben gerufenen Astana-Prozess für eine Machtübergabe hat er ebenso wenig Interesse wie sein zweiter Förderer in Teheran.
Beide Male hätte Putin die Wahl gehabt. Er hätte den Moment nutzen können, um seine schädlichen Schützlinge loszuwerden und mit ihnen das Pech, das an ihnen haftet. Stattdessen stellt sich Moskau nun wieder vor den Übeltäter, fordert laut internationale Untersuchungen und wirft gleichzeitig Blendgranaten, um Aufklärung zu verhindern.
Dass ihn nun ein Akteur wie Trump unter Druck setzt, den er ebenfalls nach Kräften gefördert hat - sehr wahrscheinlich mit Hacker-Attacken, ganz offensichtlich aber mit der ganzen Kraft der russischen Auslandsmedien -, ist eine bittere Ironie.