Russland:"Wir wollen anders leben"

Lesezeit: 2 min

Julija Nawalnaja in ihrer Videobotschaft (Foto: Quelle: Youtube)

Nach dem Tod von Kremlkritiker Nawalny meldet sich seine Frau Julija Nawalnaja mit einer Videobotschaft zu Wort: Sie wolle den Kampf ihres Mannes fortsetzen.

Von Frank Nienhuysen

Drei Tage nach dem Tod ihres Mannes hat Julija Nawalnaja am Montag angekündigt, die Arbeit von Alexej Nawalny fortzusetzen und für ein neues Russland zu kämpfen. "Ich rufe euch auf, an meiner Seite zu stehen", sagte sie in einer etwa acht Minuten langen Videobotschaft auf Youtube. "An meinem Platz müsste ein anderer Mensch sein. Aber diesen Menschen hat Putin getötet", sagte die Witwe des 47 Jahre alten russischen Oppositionellen, der am vergangenen Freitag im Straflager am Polarkreis gestorben ist. Nawalnaja kämpfte während ihrer Ansprache immer wieder mit den Tränen.

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Mit der öffentlichen Ankündigung, anstelle und im Sinne ihres Mannes weiterzumachen, wird Julija Nawalnaja nun zu einer politischen Person. Am Montagnachmittag war sie auch zu Gast beim Außenministerrat der EU-Staaten in Brüssel. Die EU erklärte nach dem Treffen durch den Außenbeauftragten Josep Borrell, für Nawalnys Tod trügen letztlich "Putin und die russischen Behörden die Verantwortung". Die EU werde keine Anstrengung scheuen, um Russlands Führung und die Behörden zur Rechenschaft zu ziehen - auch durch Sanktionen.

Sie wolle "für ehrliche Wahlen" kämpfen, "wir wollen anders leben", sagte Nawalnaja

Nawalnaya hatte bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag spontan eine Rede gehalten, kurz nachdem sie vom Tod ihres Mannes erfahren hatte. In ihrem Youtube-Video vom Montag warf sie der russischen Führung vor, dass Alexej Nawalny gequält und gefoltert worden sei. Sie beschrieb die Haftbedingungen, unter anderem eine sechs, sieben Quadratmeter kleine Gefängniszelle, "ein Betonkasten", in dem das Bett tagsüber an die Wand geklappt worden sei, "damit er sich nicht hinlegen kann". Nawalnaja sagte, dass Wladimir Putin zur Hälfte auch sie selber getötet habe, aber dass sie eben noch eine andere Hälfte habe, die ihr sage, dass sie kein Recht habe aufzugeben. Sie wolle "für ehrliche Wahlen" kämpfen, "wir wollen anders leben", sagte sie. Und sie kündigte an, "bald" die Namen derer zu nennen, "die das Verbrechen ausgeführt haben". Was sie genau damit meint, war zunächst unklar.

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Alexej Nawalny war wegen seiner Korruptionsvorwürfe gegen russische Staatsunternehmen, Ex-Präsident Dmitrij Medwedjew und Präsident Putin in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten zum erbittertsten Gegner des Kremls geworden. Im vergangenen Sommer wurde er zu einer Haftstrafe von 19 Jahren verurteilt, schon zuvor hatte es mehrjährige Gefängnisstrafen gegen ihn gegeben. Im Sommer 2020 wurde Nawalny mit Nowitschok vergiftet, nach seiner Rückkehr nach Russland wurde er festgenommen. Seine Organisationen wurden in Russland als extremistisch erklärt und verboten. Viele seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ins Ausland geflüchtet.

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Nawalnaja sieht sich nun offenbar als neue Bezugsperson für die Oppositionsbewegung

Seine Frau Julija Nawalnaja, 47, stand in all den Jahren an Nawalnys Seite, etwa bei den Massendemonstrationen im Protestwinter 2011/2012, als Nawalny für die Kremlpartei Einiges Russland den Begriff "Partei der Gauner und Diebe"* prägte, und bei vielen Gerichtsprozessen. Sie zeigte sich mit ihm im deutschen Krankenhauszimmer, wo Nawalny wegen seiner Vergiftung behandelt wurde, und sie reiste mit ihm zusammen nach Russland zurück. Während seiner Festnahme bei der Passkontrolle am Moskauer Flughafen verabschiedete er sich von seiner Frau.

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Immer wieder war in Russland darüber gesprochen worden, wer wegen der langen Haftstrafe Nawalnys Platz füllen könnte. Dass sich Julija Nawalnaja so schnell nach seinem Tod der Öffentlichkeit stellt, dürfte auch damit zusammenhängen, dass bereits in einem Monat die Präsidentenwahl in Russland stattfindet, bei der sich Putin für weitere sechs Jahre bestätigen lassen will. Obwohl Nawalnaja nicht in Russland lebt, sieht sie sich nun offenbar als neue Bezugsperson für die russische Oppositionsbewegung.

* In einer früheren Version des Textes stand fälschlich "Partei der Gauner und Diener", das wurde korrigiert.

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