Am Ende ist es für Rishi Sunak doch noch gut ausgegangen. Der britische Premierminister konnte eine Revolte des rechten Tory-Flügels gegen sein umstrittenes Asylgesetz verhindern. Am späten Mittwochabend stimmten 320 Unterhaus-Abgeordnete für das Vorhaben der Regierung, 276 sprachen sich dagegen aus.
Nur wenige Stunden vor dem Votum hatten etwa 60 sogenannte Tory-Rebellen damit gedroht, gegen das Gesetz zu stimmen, weil es in ihren Augen zu lax sei. 27 Gegenstimmen hätten gereicht, um das Gesetz zu kippen. Doch dazu kam es nicht, lediglich elf Tory-Abgeordnete stimmten am Ende dagegen. Nun muss noch das Oberhaus dem Gesetz zustimmen. Dort gibt es allerdings große Bedenken, weil das Vorhaben der Regierung wohl gegen internationale Vorgaben zum Schutz von Flüchtlingen verstößt.
Sunak versuchte deshalb am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Downing Street den Druck auf das Oberhaus zu erhöhen: "Es bleibt eine Frage: Wird die Opposition im ernannten House of Lords versuchen, den Willen des Volkes, wie er von der gewählten Kammer zum Ausdruck gebracht wird, zu vereiteln? Oder werden sie mitmachen und das Richtige tun?" Es sei an der Zeit, dass das Oberhaus den Gesetzesentwurf annehme, sagte der Premier, es handele sich um "eine dringende nationale Priorität". Dass Sunaks Vorhaben im House of Lords scheitert, gilt als unwahrscheinlich. Das Oberhaus könnte den Gesetzgebungsprozess allerdings verzögern.
Mehrere Tories treten aus Protest zurück
Mit dem sogenannten Ruanda-Gesetz will die Regierung irregulär eingereiste Migranten ohne Prüfung ihres Asylantrags und ungeachtet ihrer Herkunft nach Ruanda abschieben. Sie sollen dort Asyl beantragen, eine Rückkehr nach Großbritannien ist ihnen untersagt. Damit das funktioniert, soll Ruanda qua Gesetz zum sicheren Drittland erklärt werden. Eine weitere richterliche Überprüfung unter Berufung auf Menschenrechte in Großbritannien soll ausgeschlossen werden.
Was Menschenrechtsorganisationen empört, geht vielen rechten Tories nicht weit genug. Sie forderten, auch Einsprüche vor internationalen Gerichten müssten verhindert werden, es dürfe keinerlei Schlupflöcher geben. Robert Jenrick, früherer Migrations-Staatssekretär und einst Vertrauter von Sunak, sprach sich sogar für den Ausstieg aus der Europäischen Menschenrechtskonvention aus. Bereits am Dienstag waren die Vize-Parteigeschäftsführer der Tories, Lee Anderson und Brendan Clarke-Smith, aus Protest gegen Sunaks Gesetzesvorhaben zurückgetreten.
Um auf die Kritiker im rechten Tory-Flügel zuzugehen, hatte der Premier eine Reihe Zugeständnisse gemacht. Dazu gehört die Zusage, einen Leitfaden zu veröffentlichen, in dem erklärt wird, dass Beamte nicht gegen den Kodex für den öffentlichen Dienst verstoßen, wenn Regierungsmitglieder sich über Anordnungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hinwegsetzen, die die Abschiebung eines Asylsuchenden nach Ruanda verhindern. Justizminister Alex Chalk hat außerdem zugesagt, die Gerichte personell so auszustatten, dass Asylentscheidungen beschleunigt werden können. Ob das gelingt, daran haben Richterverbände jedoch ihre Zweifel.
Labour liegt in den Umfragen weit vorne
Der Streit über Migration ist längst zu einem der bestimmenden Themen im aufkommenden Wahlkampf geworden. Die Tories wollen mit einem betont harten Kurs den Rückstand auf Labour aufholen. Laut einer Yougov-Umfrage vom Donnerstag liegen die Konservativen 27 Prozentpunkte hinter der größten Oppositionspartei. Wann genau in diesem Jahr gewählt wird, ist noch offen, vermutlich im Herbst.
Ob bis dahin überhaupt Abschiebeflüge nach Ruanda starten, ist ungewiss. Downing Street beteuerte zwar, dass der Plan nach wie vor sei, dass bis zum Frühling die ersten Maschinen in Richtung Kigali abheben sollen. Ruandas Präsident Paul Kagame sagte jedoch bereits, dass es Grenzen gebe, wie lange sein Land auf Flüge mit Migranten aus Großbritannien warten würde: "Wenn sie nicht kommen, können wir das Geld zurückgeben." Eine ruandische Regierungssprecherin erklärte, dass Ruanda nach dem Abkommen nicht verpflichtet sei, das bereits geflossene Geld zurückzuzahlen. London hat bisher 240 Millionen Pfund nach Kigali überwiesen.
Zu den größten Kritikern des Deals zwischen Großbritannien und Ruanda zählt das UN-Flüchtlingshilfswerk. Nach dessen Auffassung verletzt das britische Gesetzesvorhaben internationale Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen. Dass die Regierung sich qua Gesetz über Gerichtsentscheidungen stellen will, sei zudem ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung. Und ganz grundsätzlich sei nicht hinnehmbar, dass es für Asylsuchende gar keine legalen Wege ins Vereinigte Königreich gebe.