Sozialpolitik:Renten steigen stärker als erwartet

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Die hohen Lohnabschlüsse der vergangenen Monate bescheren Ruheständlern mehr Geld. Ost und West liegen jetzt gleichauf. (Foto: Thomas Warnack/dpa)

Bald erhalten Rentnerinnen und Rentner 4,57 Prozent mehr Geld. Damit liegt die Erhöhung erstmals seit 2022 voraussichtlich über der Inflationsrate.

Von Roland Preuß, Berlin

Zwei Jahre lang hatte die hohe Inflation die Rentensteigerungen mehr als aufgezehrt. Durch den starken Anstieg der Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel konnten sich die etwa 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner weniger leisten. Nun gibt es wieder eine Rentensteigerung, die aufs Jahr gesehen deutlich über der Inflation liegen dürfte. Deutschlands Ruheständler erhalten zum 1. Juli eine Rentensteigerung von 4,57 Prozent, wie Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag in Berlin mitteilte. Und damit deutlich mehr als die Preissteigerung von zuletzt 2,5 Prozent. Der Anstieg der Renten fällt zudem höher aus als im vergangenen Herbst prognostiziert. Die Deutsche Rentenversicherung rechnete im November noch mit einem Anstieg um etwa 3,5 Prozent.

"Der starke Arbeitsmarkt und gute Lohnabschlüsse machen das möglich", erklärte Sozialminister Heil. Die Rentenanpassung falle in diesem Jahr erstmalig in ganz Deutschland gleich aus. "34 Jahre nach der deutschen Einheit ist das ein Meilenstein für unser Land." Mit Blick auf die Rente sei Arbeit in Ost und West nun "gleich viel wert". Der Vorsitzende im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Bundestag, Bernd Rützel (SPD), sprach von "sehr guten Nachrichten". Mit dem Rentenpaket II werde die Bundesregierung zudem das Rentenniveau dauerhaft sichern und dafür sorgen, "dass niemand länger arbeiten muss".

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Die Rente steigt in Ost und West nun einheitlich an

Das Rentenpaket sieht vor, das Rentenniveau bis 2039 mindestens auf dem derzeitigen Stand von 48 Prozent festzuschreiben. Der Aufbau eines Kapitalstocks, aus dem Geld an den Kapitalmärkten angelegt wird, soll die Rentenkasse ab Mitte der 2030er Jahre zusätzlich unterstützen. Die geplante Stützung der Rentenkasse würde in den kommenden 15 Jahren laut Wissenschaftlern fast 300 Milliarden Euro kosten. Der Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden.

Die Rentenerhöhung kommt mitten in einer Debatte über das Rentenpaket und die Streitfrage, wer in den kommenden Jahrzehnten die Renten finanzieren soll. Die nun geplante Rentenerhöhung gibt bereits einen Vorgeschmack auf die Herausforderungen, welche die Alterung in Deutschland für das Rentensystem mit sich bringt. Bisher werden die Lasten durch höhere Rentenausgaben zwischen Beitragzahlern und Rentenempfängern aufgeteilt durch den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor.

Dieser hätte den Anstieg der Renten laut Sozialministerium um 0,16 Prozentpunkte gedämpft, um so sozialversicherungspflichtige Beschäftigte und Unternehmen zu entlasten. Dadurch aber wäre die Höhe der Renten knapp unter das bis 2025 gesetzlich garantierte Niveau von 48 Prozent gesunken. Deshalb greift der Nachhaltigkeitsfaktor jetzt nicht in vollem Umfang - und dürfte nach Einschätzung von Fachleuten auch in den kommenden Jahren nicht mehr greifen. Insbesondere, wenn das Rentenpaket II Gesetz wird. Wissenschaftler wie der Rentenexperte und Wirtschaftsweise Martin Werding kritisieren dies als einseitige Belastung der jüngeren Beschäftigten. Heil hingegen argumentiert, mit dem geplanten Rentenpaket stelle die Koalition sicher, dass auch die junge Generation künftig vom Wachstum profitiere und im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung nicht ärmer werde.

Die Anpassung der Renten wird regelmäßig im Frühjahr auf Grundlage aktueller Daten errechnet. Schon im vergangenen Jahr fiel die Rentenerhöhung deutlich höher aus als prognostiziert. 2023 erhielten die Rentnerinnen und Rentner im Westen 4,39 Prozent mehr Geld, in Ostdeutschland waren es 5,86 Prozent. Seit dieser Anpassung gilt in West und Ost ein gleich hoher aktueller Rentenwert. Deshalb steigt die Rente in Ost und West nun einheitlich an.

Entscheidend für die Höhe des Anstiegs sind die Lohnsteigerungen. Die Gewerkschaften hatten vergangenes Jahr versucht, durch hohe Lohnforderungen zumindest einen Großteil des Kaufkraftverlusts durch die stark gestiegenen Preise auszugleichen. Dies hat einen deutlichen Anstieg der Renten zur Folge, weil sie eng an die Entwicklung der Löhne gebunden sind. Für eine Standardrente bei durchschnittlichem Verdienst und 45 Beitragsjahren bedeutet die Rentenanpassung laut Bundessozialministerium einen Anstieg um 77,40 Euro im Monat.

Die Bundesregierung rechnet in ihrem Jahreswirtschaftsbericht vom Februar mit einem deutlich langsameren Anstieg der Verbraucherpreise, im Jahresdurchschnitt 2024 erwartet sie 2,8 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es noch 5,9 Prozent gewesen. Trotz der hohen Inflation der vergangenen Jahre konnten sich die Rentnerinnen und Rentner laut Deutscher Rentenversicherung im Zeitraum von 2014 bis heute preisbereinigt über deutlich höhere Renten freuen.

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