Regenwald in Brasilien:Feuer frei

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Brennender Regenwald im Bundestaat Pará, Brasilien. (Foto: CARL DE SOUZA/AFP)

Brasilien gelobte beim Weltklimagipfel, die Abholzung im Amazonas stoppen zu wollen. Neueste Zahlen belegen aber, dass die Waldvernichtung so stark zunimmt wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Es ist nicht leicht, sich 13 000 Quadratkilometer vorzustellen. Eine Fläche, etwa fünfmal so groß wie das Saarland; oder 1,8 Millionen Fußballfelder. Noch schwerer vorstellbar ist allerdings, dass im brasilianischen Amazonasgebiet mehr als 13 000 Quadratkilometer Regenwald zerstört wurden - und das allein im Zeitraum von August 2020 bis Juli 2021.

Jedes Jahr veröffentlicht das staatliche brasilianische Instituts für Weltraumforschung INPE für diese Zeiträume aktuelle Zahlen. Diesmal sind diese so alarmierend wie lange nicht: Zuletzt wurde so viel Regenwald vernichtet wie das letzte Mal vor 15 Jahren. Schuld daran ist auch die rechte Regierung Brasiliens, da sind sich die meisten Experten einig. Denn über Jahre hinweg hatte die Zerstörung im Amazonas erst abgenommen, dann war sie bei einem Wert von etwa 6500 Quadratkilometern pro Jahr stagniert.

Mit der Amtsübernahme von Präsident Jair Bolsonaro im Januar 2019 aber nahm die Abholzung wieder an Fahrt auf. Schon im ersten Jahr seiner Regierung wurden mehr als 10 000 Quadratkilometer Regenwald vernichtet, eine Marke, die zuvor ein Jahrzehnt lang nicht überschritten worden war. Jahr für Jahr hat die Abholzung seitdem zugenommen. Und rechnet man die Werte für die bisherige Amtszeit Bolsonaros zusammen, kommt man auf mehr als 34 000 Quadratkilometer - eine Fläche, die größer ist als ganz Belgien.

Der Amazonas-Regenwald gilt als grüne Lunge der Erde, und für den Klimaschutz ist er von zentraler Bedeutung. Wissenschaftler glauben, dass man die Folgen der Abholzung auch jetzt schon sehen kann: Brasilien und Teile Südamerikas kämpfen mit einer der schlimmsten Dürren seit fast einem Jahrhundert. Ein Grund dafür könnte das Ausbleiben von feuchten Luftströmen sein, die sich normalerweise über dem Regenwald bilden. Diese sogenannten "fliegenden Flüsse" trocknen nun zunehmend aus. Staubstürme verdunkeln die Sonne, Felder verdorren, Tiere gehen ein.

Regenwald bald am Kipppunkt

Bald könnte der Amazonas-Regenwald an einen Kipppunkt kommen: Die noch vorhandenen Bäume und Pflanzen würden nicht mehr genug Feuchtigkeit generieren, um von sich aus Regen zu erzeugen. Der Wald würde sich in eine Savanne verwandeln, mit kaum absehbaren Folgen.

Brasiliens Regierung gerät deswegen zunehmend unter Druck. Denn eine Öffnung der Region für die wirtschaftliche Nutzung war ein zentrales Wahlversprechen Bolsonaros. Kaum im Amt wurden Budgets und Personal bei Schutzbehörden gekürzt, Umweltgesetze ausgehöhlt und Straftaten kaum noch verfolgt. Holzfäller, Goldgräber und Viehzüchter drangen immer tiefer in den Regenwald vor.

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Die grüne Lunge der Erde wird immer kleiner. Im vergangenen Berichtsjahr sind 22 Prozent mehr Waldfläche zerstört worden als im Jahr zuvor, berichtet das brasilianische Institut für Weltraumforschung nach der Auswertung von Satellitendaten.

Umweltschutzverbände schlugen Alarm, die internationale Politik protestierte und Unternehmen drohten Boykotts an. Tatsächlich schickte Jair Bolsonaro daraufhin Soldaten in die Region und verhängte ein Verbot für das Legen von Feuer jeglicher Art. Ein paar Monate später riet sein damaliger Umweltminister aber schon wieder dazu, die Pandemie dazu zu nutzen, die Umweltgesetzgebung zu verwässern, während die Weltöffentlichkeit mit der Bekämpfung von Covid-19 beschäftigt ist.

Wie wenig tatsächlich getan wird, um die Abholzung zu stoppen, zeigen nun die diesjährigen Zahlen deutlich. Sie stammen dazu auch noch von Ende Oktober und hätten somit schon vor dem Weltklimagipfel in Glasgow veröffentlich werden können. Bolsonaro gelobte dort ein Ende der Abholzung bis 2028. Umweltschützer sehen darin ein leeres Versprechen, das nur dazu diene, das Image der Regierung aufzupolieren.

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