Militärische Unterstützung:"Die Ukraine braucht dringend unsere Hilfe"

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Drei in Ramstein: Verteidigungsminister Boris Pistorius (li.) unterhält sich mit seinen Amtskollegen Lloyd Austin (Mi.) aus den USA und Oleksij Reznikow aus der Ukraine. (Foto: Andre Pain/AFP)

Auf dem US-Stützpunkt Ramstein zeigen sich die westlichen Unterstützer einig: Neben Munition benötigen die ukrainischen Streitkräfte vor allem Systeme für die Luftverteidigung. Aber Kiew bekommt nicht alles, was es will.

Von Matthias Kolb

Als Gastgeber hat Lloyd Austin das Recht, die Sitzungen der Ukraine-Kontaktgruppe zu eröffnen. Besser bekannt sind die Treffen als "Ramstein-Format", denn auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Rheinland-Pfalz kamen die Unterstützer der Ukraine vor einem Jahr erstmals zusammen, um besser zu koordinieren, was Kiew braucht, um sich gegen Russlands Angriff zu verteidigen. Nun zieht der US-Verteidigungsminister - wenig überraschend - eine positive Bilanz.

Die Ukraine kämpfe weiter tapfer, um ihre Menschen, Souveränität und Freiheit zu verteidigen, und die Mitglieder dieses Forums hätten dies mit mehr als 50 Milliarden Euro unterstützt, lobt Austin. Dennoch gelte: "Die Ukraine braucht dringend unsere Hilfe." Für das elfte Treffen, an dem auch hochrangige Militärs teilnehmen, nennt er drei Prioritäten: Flugabwehr, Munition und sogenannte enabler, also militärische Unterstützungskräfte für Transport, Logistik oder medizinische Versorgung.

Die umfangreichste Hilfe kommt aus den USA

Bereits am Mittwoch hatte die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass Deutschland der Ukraine ein zweites Iris-T-SLM -System übergeben habe. Es gilt als äußerst effizient, um Raketen abzuwehren und so Zivilbevölkerung und kritische Infrastruktur zu schützen. Eingetroffen sind auch Patriot-Batterien aus Deutschland, den USA und den Niederlanden. Ausführlich spricht Austin über das 36. Paket der USA im Wert von 300 Millionen Euro: Es umfasst Munition für die Raketenwerfer-Artilleriesysteme Himars, Granaten mit 105 sowie 155 Millimetern Durchmesser und Antipanzerminen. Dadurch erhöht sich die US-Militärhilfe für die Ukraine auf mehr als 32 Milliarden Euro.

Diese Zahl ist eindrucksvoll, aber fordert einen Realitätscheck. Mehr als die Hälfte der geleisteten Unterstützung stammt von der Biden-Regierung, die ihre Partner beharrlich drängt, mehr zu tun. Doch in Westeuropa fehlt es an Kapazitäten in der Rüstungsindustrie. Neben den 31 Nato-Mitgliedern nehmen zwanzig weitere Länder an dem Treffen teil - etwa Australien, Japan und Südkorea.

Allerdings passt Austins Aussage, die Kontaktgruppe sei "geschlossener und globaler" als je zuvor in ihrem Kampf gegen "Russlands Aggression und Täuschung", nicht so recht zur Unterstützung, die Moskau etwa durch China erhält. So isoliert, wie man es sich auf der Air Base wünscht, ist Präsident Wladimir Putin nicht.

Pistorius geht zum "Panzerlunch"

Den Wert der Ramstein-Treffen betont Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: Hinter verschlossenen Türen berichten die Ukrainer, was sie benötigen und wo es Nachschubprobleme gibt - und die Partner versuchen, die Lieferungen bestmöglich zu koordinieren. Gerade vor der anstehenden Frühjahrsoffensive ist dies entscheidend. Also trifft sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am Mittag mit Oleksij Resnikow aus der Ukraine und Mariusz Blaczcak aus Polen, um über die versprochenen Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 zu sprechen. 18 Stück hat Berlin bereits abgegeben, Dänemark und die Niederlande kündigten nun an, Anfang 2024 ebenfalls 14 Exemplare liefern zu wollen.

Austin und Stoltenberg betonen, wie wichtig es sei, das bereits gelieferte militärische Gerät einsatzfähig zu halten. Über "Durchhaltefähigkeit" spricht auch Pistorius, als er am Nachmittag vor die Presse tritt. Damit Leopard-Panzer, die im Ukraine-Krieg beschädigt wurden, schneller zurück an die Front kommen können, sollen sie von Ende Mai an in Polen repariert werden. Den Aufbau eines Instandsetzungszentrums hat er mit Resnikow und Blaczcak vereinbart. Zur "fairen Aufteilung" der jährlichen Kosten von 150 bis 200 Millionen Euro habe man sich auf eine Fondslösung geeinigt, sagt der SPD-Politiker.

Bereits am Donnerstag hatte Pistorius im ZDF darauf verwiesen, dass geklärt werden müsse, wie die teuren "Instandsetzungs-Hubs" für den Schützenpanzer Marder, die Leoparden und die Panzerhaubitze 2000 finanziert werden. Das Reparaturzentrum für die Haubitzen in der Slowakei laufe nach langem Streit um Zollfragen nun endlich richtig, sagte er. Für die Marder entsteht ein Hub in Rumänien.

Austin nutzt die abschließende Pressekonferenz dazu, ein unangenehmes Thema anzusprechen: die US-Geheimdokumente, die der Soldat Jack T. online gestellt hat. Er nehme das Leak "sehr ernst", sagt er und betont, er sei beeindruckt von der Solidarität der Verbündeten: "Wir werden es nicht zulassen, dass irgendetwas unsere Einheit aufbricht." Austin gibt zudem bekannt, dass die USA "in den nächsten Wochen" Abrams-Kampfpanzer nach Europa transportieren werden, damit ukrainische Soldaten im bayerischen Grafenwöhr daran ausgebildet werden können.

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In Ramstein zeichnet sich - anders als von der Ukraine erhofft - keine Entscheidung über die Abgabe von westlichen Kampfjets ab. Man müsse über Lieferungen durch Bündnispartner weiter diskutieren, sagt jedoch Nato-Generalsekretär Stoltenberg. Er kam direkt aus Kiew, wo ihm Präsident Wolodimir Selenskij gesagt habe, dass die Ukraine auch Flugzeuge westlicher Bauart brauche.

Stoltenberg hält die Diskussion über weitere Waffenlieferungen aktuell für wichtiger als die Planungen für einen Nato-Beitritt: "Jetzt geht es vor allem darum, dass die Ukraine siegt." Er hatte am Vortag Selenskij zum nächsten Gipfel des Verteidigungsbündnisses nach Vilnius eingeladen und erklärt: "Der Ukraine steht ein Platz in der Nato zu."

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