Iran:Raketen mit einer Botschaft

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Ein verlassenes Klinikgebäude in der syrischen Provinz Idlib war mutmaßlich eines der Ziele iranischer Raketen. (Foto: Omar Albam/dpa)

Iran greift Ziele in Syrien und im Irak an, es ist die deutlichste Aktion des Teheraner Regimes seit dem 7. Oktober. Die Mullahs wollen offenbar eine Warnung aussenden - aber eine Eskalation des Nahostkonflikts vermeiden.

Von Raphael Geiger, Istanbul

Dem iranischen Regime ging es offenbar darum, zu zeigen, dass mit seiner militärischen Stärke im Nahostkonflikt zu rechnen ist. Stolz hieß es in den staatlichen Medien, die Raketen, die in der Nacht zu Dienstag im Nordwesten von Syrien einschlugen, seien eine längere Strecke geflogen als jemals eine iranische Rakete zuvor.

Die iranischen Revolutionsgarden teilten mit, die Angriffe auf Syrien seien eine Antwort auf jüngste Terrorattacken. Am 3. Januar hatten Attentäter in der Stadt Kerman mehr als 90 Menschen getötet, dazu hatte sich der IS bekannt. Welche Ziele die Iraner mit ihren Raketen nun genau im Blick hatten, ist unklar. In der Rebellenprovinz Idlib, so berichteten lokale Journalisten, trafen sie eine frühere Klinik. Iran unterstützt in Syrien den Diktator Bashar Al-Assad.

Wichtiger als die genauen Ziele dürfte der Führung in Teheran die Symbolik gewesen sein. Idlib liegt von Iran aus ungefähr so weit entfernt wie Israel. Eine Warnung sollte das sein, so sagte es der Teheraner Analyst Mohammed Marandi dem Sender Al Jazeera, "eine Nachricht an die Israelis und Amerikaner, dass eine Eskalation sie am härtesten treffen wird."

Im Nordirak sei ein "Spionagezentrum des Mossad" zerstört worden

Das andere Ziel der iranischen Raketen war die Stadt Erbil, die Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion im Nordirak. Gegen Mitternacht waren dort am Montag mehrere Detonationen zu hören. Unter anderem in der Villa eines kurdischen Geschäftsmanns, dem die iranische Propaganda Beziehungen zu Israel nachsagte. Der Mann starb zusammen mit vier Mitgliedern seiner Familie, darunter zwei Kinder. Man habe, hieß es aus Teheran, "Spionagezentren des Mossad" zerstört, also des israelischen Auslandsgeheimdienstes.

Die iranischen Angriffe folgen auf Wochen des Schattenkriegs, den sich Iran und seine loyalen Milizen seit Beginn des Gazakonflikts mit Israel und den USA liefern. Dazu gehören die schiitischen Milizen in Irak, die dort an der Regierung beteiligt sind, sich aber dem Einfluss des irakischen Premierministers entziehen. Sie hören nur auf Befehle aus Teheran. Laut dem US-Verteidigungsministerium haben sie seit dem 7. Oktober, also seit dem Überfall der Hamas auf Israel, wieder und wieder US-Einrichtungen in der Region angegriffen. Sowohl in Irak als auch in Syrien sind noch US-amerikanische Truppen stationiert. 100 Angriffe auf sie hat das Pentagon gezählt.

Erwartbare Reaktion auf den Anschlag in Kerman

Anfang Januar töteten die USA deswegen einen der Anführer von Harakat Al Nujaba, einer der für die Angriffe verantwortlichen Milizen. Sie kooperiert direkt mit den iranischen Revolutionsgarden. Auch die Revolutionsgarden selbst erlitten in den vergangenen Wochen immer wieder Verluste, vor allem in Syrien, mutmaßlich durch israelische Luftschläge. Einer davon tötete im Dezember einen führenden iranischen General, der sich gerade in Damaskus aufhielt.

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Auch der Anschlag in Kerman traf die Revolutionsgarden, nämlich die Trauernden, die sich am Todestag von Kassem Soleimani versammelt hatten. Der war ein bekannter General der Garden und der Mann hinter Irans Einfluss in der Region. Er starb vor vier Jahren bei einem US-Luftschlag in Bagdad. Dass das Regime auf die Terrorattacke und die Demütigungen durch Israel reagieren würde, war zu erwarten.

Die Raketenangriffe von Montagabend sind die bisher deutlichste Reaktion Irans auf den Gazakrieg. Viele fürchteten, dass die Hamas im Nahen Osten einen Flächenbrand auslösen könnte. Doch ihre Verbündeten, neben Iran vor allem die libanesische Hisbollah, hielten sich zurück. Angriffe auf US-Einrichtungen ließ Teheran nur indirekt ausführen, nämlich durch die verbündeten Milizen. Auch in Erbil gibt es amerikanische Ziele, die die Mullahs hätten treffen können. Das allerdings vermieden sie.

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