US-Wahl:Die Republikaner suchen den Schulterschluss mit Trump

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Der künftige US-Präsident Donald Trump (links im Bild) und Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses. Vor der Wahl hatte Ryan noch gesagt, von Trumps Faseleien über Übergriffe auf Frauen werde ihm übel. (Foto: REUTERS)
  • Vor dem Wahlkampf hatte sich die republikanische Parteispitze von Trump distanziert.
  • Nach dem Wahlsieg sucht das Establishment plötzlich den Schulterschluss mit dem künftigen US-Präsidenten.
  • Das Verhältnis Trumps den Republikanern wird nicht spannungsfrei bleiben: Denn viele Wahlversprechen lassen sich nur schwer mit der Parteilinie vereinbaren.

Von Reymer Klüver

Die neue Ära begann mit Versprechen. Im New Yorker Hilton beteuerte der triumphierende Donald Trump, Präsident aller Amerikaner sein zu wollen. Im Washingtoner Weißen Haus versicherte Präsident Barack Obama seinem ungeliebten Nachfolger, dass er die Amtsübergabe ordentlich abwickeln werde. Und nicht weit entfernt, unter der mächtigen Kuppel des Kapitols, kündigten der zweit- und der drittmächtigste Mann Washingtons an, mit dem künftig mächtigsten Mann aufs engste zusammenarbeiten zu wollen.

Auf einmal soll alles vergessen und vergeben sein?

Letzteres ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Denn Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses, und Mitch McConnell, der Chef der Mehrheitsfraktion im Senat, sind wie der siegreiche Präsidentschaftsbewerber Republikaner. Doch selbstverständlich ist in der amerikanischen Politik nichts. Und in jüngster Zeit bei den Republikanern schon gar nicht.

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Lange ging es den Republikanern vor allem darum, Trump ins Weiße Haus zu bringen. Das erscheint inzwischen fast aussichtslos. Nun sorgen sie sich um ihre Mehrheit im Kongress.

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Denn die beiden Parteiführer konnten den Spitzenkandidaten ihrer Partei eigentlich nicht leiden; auch sie glaubten, dass er ihre Partei ins Verderben reißen würde. Besonders zwischen Ryan und Trump galt das Verhältnis als zerrüttet. Ihm werde "übel" hatte Ryan nach einem der verbalen Ausfälle Trumps gesagt. Auf einmal aber soll alles vergessen und vergeben sein?

"Er hat gerade den Regierungsauftrag bekommen", sagte Ryan über Trump und bot eine enge Kooperation an: "Wir werden sofort loslegen." Ist das der Mann, der noch am Tag vor der Wahl darauf hinwies, dass die Republikanische Partei "nicht die Partei eines einzigen Mannes" sei, also nicht Trumps Wahlverein? Senatschef Mitch McConnell assistierte nach Trumps Sieg: "Wir wollen, dass das Land eine andere Richtung einschlägt. Deshalb wollen wir mit ihm daran arbeiten, dass Amerika seinen Kurs wechselt."

Noch vor wenigen Wochen hatte McConnell den damaligen Kandidaten aufgefordert, sich für seine sexistischen Äußerungen "bei allen Frauen und Mädchen" zu entschuldigen. Davon ist nun keine Rede mehr. The winner takes it all. Gleich zweimal rief Ryan noch in der Wahlnacht bei Trump an. Das republikanische Partei-Establishment sucht den Schulterschluss. Der gewählte Präsident nimmt die Huldigungen gerne entgegen.

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Trump trifft sich mit Ryan zum Versöhnungslunch

Noch am Donnerstag wollte Trump sich mit Ryan zum Versöhnungslunch in Washington treffen. Mit dabei: Trumps Vize Mike Pence. Der war selbst Kongressabgeordneter, von 2001 bis 2013 saß er im Repräsentantenhaus. Der erzkonservative, aber umgängliche Pence soll offenkundig Trumps Verbindungsmann zum Kongress werden. Denn der künftige Präsident verfügt über keinerlei Regierungserfahrung und hat keine Ahnung, wie man Washingtons notorisch eigensinnige Parlamentarier an die Kandare nimmt.

Ein Ausgleich bietet Vorteile für beide Seiten. Ryan ist das schnelle Treffen hochwillkommen. Es zeigt, dass Trump auf ihn setzt. Tea-Party-Anhänger in der Republikanerfraktion im Abgeordnetenhaus würden Ryan am liebsten stürzen, weil ihnen sogar ihr erzkonservativer Chef zu lasch ist. Trump kann umgekehrt Ryan als durchsetzungsstarken Verbündeten gebrauchen, um seine Agenda durchzusetzen.

Ganz oben dürfte da ein Herzensanliegen aller Republikaner stehen: die Rücknahme der Gesundheitsreform Obamas. Das sei eine "Verpflichtung gegenüber dem amerikanischen Volk", sagte McConnell. Auch die Nachbesetzung des vakanten Richterpostens am Supreme Court mit einem konservativen Juristen dürfte nach dem Wechsel im Weißen Haus sehr schnell gehen; McConnell hatte bisher die Beratung über den Kandidaten Obamas im Senat zu verhindern gewusst. Auch eine Steuerreform, die hohe Einkommen weiter entlastet, dürfte kommen. Auf einen Abbau der Klimaschutzmaßnahmen Obamas werden sich der republikanische Kongress und der neue Präsident wohl ebenfalls rasch einigen.

Doch dass Trump nicht wie ein Konzernlenker in seinem Unternehmen wird durchregieren können, deutete zumindest der Senatschef an. "Wir werden ihn enthusiastisch unterstützen", sagte McConnell und fügte nach einer klitzekleinen Unterbrechungen hinzu: "fast immer." Wenn es Meinungsverschiedenheiten gebe, werde man die nicht in aller Öffentlichkeit austragen.

Und tatsächlich könnte es einigen Stoff für Zoff geben, weil Trump Wahlversprechen gemacht hat, die nicht oder nur schwer mit der Parteilinie zu vereinbaren sind, für die McConnell und Ryan stehen. Trumps protektionistische Anwandlungen zum Beispiel sind ein Unding für die bisherige Partei des Freihandels, seine Avancen gegenüber Wladimir Putin ein rotes Tuch für die republikanischen Sicherheitspolitiker im Senat. Und der Vorschlag, den er noch in der Wahlnacht machte, ein großes Infrastrukturprogramm aufzulegen, um marode Brücken und Straßen im Land zu reparieren, stieß zwar auf viel Beifall auch im Kongress - aber eher bei den Demokraten als bei den eigenen Leuten.

Und so war auch schon die eine oder andere Stimme zu vernehmen, dass der künftige Präsident nicht einfach freie Hand bekommen wird. "Unsere verfassungsmäßige Pflicht ist es, die Regierung zu kontrollieren", sagte etwa Todd Young, wie Trump gerade gewählt, allerdings als Senator für den Bundesstaat Indiana. Er ist auch Republikaner. Doch blieben derlei Mahnungen schon die Ausnahme.

Selbst John McCain gratulierte - allerdings schmallippig

Nicht nur die Spitzenrepublikaner Ryan und McConnell bemühten sich um eine Wiederannäherung an Trump. Selbst Senator Lindsey Graham, der im Wahlkampf aus seiner Verachtung für den Kandidaten seiner Partei keinen Hehl gemacht hatte, fand versöhnliche Worte: "Soweit ich dem gewählten Präsidenten Trump helfen kann, werde ich helfen", kündigte er an.

In Washington geht das - von Insidern allerdings geleugnete - Gerücht um, Trump lasse eine Liste all derjenigen Parteifreunde führen, die sich von ihm im Wahlkampf distanziert haben. Sogar John McCain, der Kriegsveteran und Senator aus Arizona, den Trump als "Verlierer-Typ" verächtlich gemacht hatte, rang sich zu einem Glückwunsch durch, allerdings klang der am Ende doch ein bisschen schmallippig: "Gratulation an den gewählten Präsidenten Donald Trump."

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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