US-Wahl:Trumps Partei führt jetzt ihren eigenen Wahlkampf

Lange ging es den Republikanern vor allem darum, Trump ins Weiße Haus zu bringen. Das erscheint inzwischen fast aussichtslos. Nun sorgen sie sich um ihre Mehrheit im Kongress.

Von Sebastian Jannasch und Alexander Triesch

Paul Ryan, der mächtige Sprecher des Repräsentantenhauses, soll in einem Telefonat mit Abgeordneten erklärt haben, Donald Trump nicht mehr zu verteidigen und keinen Wahlkampf mehr für ihn zu machen. Mehr als 160 weitere führende Republikaner, darunter Senator John McCain und der Gouverneur von Ohio, John Kasich, haben angekündigt, ihn nicht zu wählen. Einige sprechen sich gar für die demokratische Kandidatin Hillary Clinton aus.

Was - vier Wochen vor der Wahl - wie ein politisches Himmelfahrtskommando wirkt, ist keine Kurzschlussreaktion. Denn inzwischen rückt ein anderes Ziel in den Fokus dieser Politiker, die ihrem Präsidentschaftskandidaten die Gefolgschaft verweigern: die Mehrheit im Parlament zu wahren.

Zwar unterstützt einer aktuellen Umfrage zufolge noch immer eine klare Mehrheit republikanischer Gouverneure und Kongressabgeordneter ihren Kandidaten. Doch je stärker Trumps Chancen schwinden, ins Weiße Haus einzuziehen, umso mehr bröckelt die Unterstützung der eigenen Partei. So lässt sich die Revolte erklären, die in der Partei ausgebrochen ist. Dass Trump nun seinerseits führende Parteifreunde attackiert, Ryan etwa "schwach und ineffektiv" nennt, ist ein beispielloser Vorgang in der jüngeren US-Geschichte.

Warum ist bei den Republikanern Panik ausgebrochen?

Trumps sexistische, rassistische und beleidigende Ausfälle waren schon in den vergangenen Monaten für viele Republikaner schwer erträglich. Ein am vergangenen Freitag veröffentlichtes Video, das zeigt, wie Trump breitbeinig darüber schwadroniert, wie er straflos Frauen belästigen könne, brachte nun offenbar das Fass zum Überlaufen.

Denn immer mehr republikanische Abgeordnete sorgen sich, dass Trump sie bei der ebenfalls am 8. November anstehenden Kongresswahl mit in den Abgrund zieht. Das amerikanische Parlament besteht aus zwei Kammern. Bei der Wahl werden alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses und ein Drittel der 100 Sitze im Senat neu vergeben. Eine wachsende Anzahl von Kandidaten und Washingtoner Abgeordneten der Republikaner fürchten nun um ihre Wiederwahl. Je schlechter Trumps Aussichten werden, Präsident zu werden, desto wichtiger wird es, zumindest die Mehrheit im Kongress zu behaupten.

Eine Sprecherin von Paul Ryan erklärte, der Speaker des Repräsentantenhauses werde sich den kommenden Monat "ganz und gar" dem Ziel widmen, die Mehrheiten im Kongress zu verteidigen. In den USA wird diese Aussage als Freifahrtschein für Republikaner gewertet, sich von Trump abzusetzen, wenn ihnen das im Wahlkampf hilft.

Was steht auf dem Spiel?

Seit den Kongresswahlen vor zwei Jahren kontrollieren die Republikaner das amerikanische Parlament. Im Senat dominieren sie mit 54 Sitzen, im Repräsentantenhaus verfügen sie über einen komfortablen Vorsprung von etwa 60 Mandaten. Würden die Demokraten der Grand Old Party im November nur fünf der zur Wahl stehenden 24 republikanischen Senatorenposten abnehmen und ihre zehn Sitze verteidigen, hätten sie fortan eine Mehrheit im Senat. Eine Vorherrrschaft im Senat ist besonders wichtig, weil die Kammer bei internationalen Verträgen zustimmen muss und bei der Besetzung hoher Staatsämter mitbestimmt. Mit einer Mehrheit könnten die Demokraten zusammen mit einer Präsidentin Clinton beispielsweise frei werdende Richterposten im Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof, besetzen.

Wie reagieren die Demokraten?

Die Demokraten nutzen die Spaltung der Republikaner und wittern ihre Chance, die Mehrheit im Kongress zu gewinnen. In mehreren Staaten setzen die Demokraten ihre republikanischen Konkurrenten bereits mit Werbespots unter Druck. Im eher liberalen New Hampshire beispielsweise nutzt die demokratische Kandidatin Videoausschnitte, in dem die republikanische Senatorin Kelly Ayotte während einer Debatte erklärt, dass sie Trump "absolut" für ein Vorbild halte. Ayotte sagte später, dass dies ein Versehen gewesen sei. Am Samstag entzog sie Trump ihre Unterstützung.

Welche Strategien verfolgen die republikanischen Kandidaten nun?

Immer mehr Kandidaten, insbesondere in Swing States, setzen sich von Trump ab, weil sie sich davon bessere Chancen erhoffen, wieder ins Parlament einzuziehen. Der republikanische Kandidat in Ohio, Rob Portman, erklärte nach der Veröffentlichung von Trumps obszönen Aussagen über Frauen, er könne Trump nun nicht mehr unterstützen. Auch der bekannte Senator John McCain, der 2008 noch gegen Obama antrat und für Arizona im Senat sitzt, wird nicht für Trump stimmen. Inzwischen soll ein Drittel der Senatoren sich gegen Trump ausgesprochen haben.

Doch nicht alle Kandidaten verfolgen diese Strategie. Richard Burr aus North Carolina kritisierte zwar Trumps frauenverachtende Äußerungen, steht aber weiter an dessen Seite. "Ich unterstütze die Person, von der ich überzeugt bin, dass sie Amerika positiv verändern kann, und zurzeit ist das Donald Trump." Auch Marco Rubio, der für Florida wieder in den Senat einziehen will, unterstützt Trump zumindest noch halbherzig. "Ich wünschte, wir hätten eine bessere Auswahl. Aber ich will nicht, dass Hillary Clinton Präsidentin wird."

Andere Kandidaten wie Senator Pat Toomey aus Pennsylvania haben sich entschieden, gar nicht mehr zu sagen, für welchen Präsidentschaftsanwärter sie sind. Einzelne überlegen schon, sich doch wieder für Trump auszusprechen, nachdem deutlich geworden ist, dass er nicht zurücktreten wird.

Wieso ist das Vorgehen der Republikaner riskant?

Noch ist nicht klar, ob es ein kluger Weg ist, sich aktiv von Trump abzusetzen und stattdessen für einen republikanisch dominierten Kongress zu werben. Nach außen wirkt die Partei jedenfalls tief zerstritten. Kein gutes Signal an die Wähler, das Schicksal des Landes in die Hände der Republikaner zu legen. Außerdem genießt Trump immer noch große Unterstützung unter den republikanischen Wählern. Laut einer Umfrage sprechen sich drei Viertel von ihnen dafür aus, dass die Partei weiter hinter Trump stehen sollte.

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