Kriminalität:BKA meldet Rekordzahl politischer Straftaten

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BKA-Präsident Holger Münch und Innenministerin Nancy Faeser stellen die Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität vor. (Foto: Nadja Wohlleben/Reuters)

Das Bundeskriminalamt registrierte im vergangenen Jahr fast 60 000 politisch motivierte Delikte - die höchste Zahl seit zwei Jahrzehnten. Die größte Gefahr kommt von rechts. Doch auch der Ukraine-Krieg und der Streit über den Klimaschutz sind Motive.

Von Markus Balser, Berlin

Die Zahl politisch motivierter Straftaten hat in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Sie stieg 2022 im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent auf 58 916 registrierte Delikte und damit auf den höchsten Wert seit Beginn der gemeinsamen Bund-Länder-Erhebung im Jahr 2001. Das geht aus dem Jahresbericht des Bundeskriminalamts (BKA) zu politisch motivierter Kriminalität hervor, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag in Berlin zusammen mit BKA-Chef Holger Münch vorstellte.

Einer der wichtigsten Gründe für den deutlichen Anstieg war neben den anhaltend hohen Zahlen von Straftaten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie den Ermittlern zufolge ein massiver Anstieg von Delikten der Kategorie "ausländische Ideologie". Es geht dabei vor allem um Vorfälle infolge des Ukraine-Kriegs.

Die Zahl solcher Straftaten stieg im vergangenen Jahr um fast 240 Prozent auf fast 4000 Straftaten an. "Dieser Anstieg ist nahezu gänzlich Resonanzstraftaten im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geschuldet", heißt es. Dazu zählen etwa das Verwenden verbotener Symbole, Sachbeschädigungen, Beleidigung und Bedrohung sowie Körperverletzungen.

Registriert wurden besonders viele Angriffe auf Minderheiten

Die Ermittler sehen es mit Sorge, dass der Konflikt auch in die deutsche Gesellschaft wirkt. Doch dies sei Teil eines größeren Trends. Schon seit Jahren sei festzustellen, dass weltweite Krisenherde verstärkt Konsequenzen für die Sicherheitslage in Deutschland hätten. Auslöser könnten etwa Bürgerkriege, gesellschaftliche Spannungen, Wirtschaftskrisen oder auch Kriege wie eben der in der Ukraine sein. Als weitere Beispiele nennt der Bericht den Konflikt um die kurdische Minderheit in der Türkei oder die Proteste gegen das Regime in Iran. Solche Ereignisse im Ausland könnten "die Sicherheitslage in Deutschland auch tagesaktuell nachdrücklich beeinflussen", warnt der 27-seitige Bericht.

Im Oktober 2022 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf eine geplante Asylunterkunft in Bautzen. (Foto: Paul Glaser/dpa)

Deutlich nach oben weisen die Zahlen auch im Bereich der Hasskriminalität. Sie stiegen um zehn Prozent auf 11 500 Fälle. Die Sicherheitsbehörden registrierten besonders viele Angriffe auf gesellschaftliche Minderheiten. Meist waren die Taten fremdenfeindlich (10 000), rassistisch (3100), antisemitisch (2600) oder aufgrund einer sexuellen Orientierung (1000) motiviert. Zwar weist die Statistik auch einen starken Anstieg deutschfeindlicher Straftaten aus - genau einen Anstieg um gut 60 Prozent. Allerdings geht es dabei mit 340 Fällen um vergleichsweise wenige Taten.

Die Straftaten aus dem rechten Milieu sind den Ermittlern zufolge in Deutschland weiterhin das größte Problem. Rechtsextremismus bleibe die größte Bedrohung, sagten Faeser und Münch. Die Statistik weist für 2022 insgesamt fast 23 500 Delikte aus dem rechten Spektrum aus. Einen deutlichen Anstieg an Straftaten gab es bei "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern". Etwa 7000 Straftaten hatten laut Ermittlern ein linkes Motiv. Allerdings bleibt in vielen Fällen der exakte Hintergrund der Taten auch offen. 24 000 Fälle ließen sich nicht exakt einem Spektrum zuordnen.

Die Hintergründe der Taten seien vielfältiger und diffuser geworden, sagte Faeser. Das BKA macht wachsende Unsicherheiten in der Gesellschaft für die Zunahme verantwortlich. Wachse die politische Verunsicherung nehme auch die politisch motivierte Kriminalität zu, sagte Münch.

Die Zahl der Körperverletzungen stieg deutlich um ein Viertel auf fast 2400. Rund 1000 davon entfielen auf rechte Täter, 400 auf linke.

Zu der hohen Zahl von Straftaten trägt laut Ermittlern auch bei, dass in die Statistik noch viele Straftaten einflossen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begangen wurden. Die Bundesländer meldeten im vergangenen Jahr fast 14 000 solcher Straftaten an das Bundeskriminalamt. Es geht um Widerstandsdelikte, Landfriedensbruch und Körperverletzungen.

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Der Bericht gibt auch Einblicke in die Erkenntnisse der Ermittler über die Hintergründe mancher Proteste. Besonders die rechte Szene sei bemüht gewesen, die Lage für eigene "Agitationszwecke" zu instrumentalisieren. Einschlägige "Szeneplattformen" hätten versucht, für größere Versammlungen zu mobilisieren. Allerdings stellt der Bericht des BKA auch klar: Eine umfassende Beeinflussung oder Unterwanderung der Corona-Proteste durch die rechte Szene habe man nicht festgestellt.

Mit Besorgnis registrieren Behörden eine immer höhere Zahl von Straftaten in Zusammenhang mit Umwelt- und Klimaschutz. Die BKA-Statistik kommt für das vergangene Jahr auf immerhin 1700 Taten - ein Plus von mehr als 70 Prozent. Ein Großteil der Taten wurde von Tätern aus dem linken Spektrum verübt (1400). Meist ging es um Sachbeschädigungen oder Nötigungen und Beleidigungen. Immerhin jede zehnte Tat allerdings war dabei auch ein Gewaltdelikt.

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