Polen:578 Bespitzelte in PiS-Regierungszeit

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Auch ein Wahlkampfmanager des heutigen Ministerpräsidenten Donald Tusk wurde 2019 mit der Pegasus-Software bespitzelt. (Foto: Lukasz Glowala/Reuters)

Mit der 2017 in Polen angeschafften Software Pegasus wurden Hunderte Personen ausspioniert - sogar PiS-Politiker. Dies teilt der polnische Justizminister mit.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Hunderte Menschen sollen in Polen in der Regierungszeit der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mit der Spionagesoftware Pegasus ausgespäht worden sein. Darunter auch PiS-Politiker. Das war schon zu vermuten, als im Februar der Untersuchungsausschuss zur Pegasus-Affäre seine Arbeit aufnahm. In dem Fall ermitteln auch Geheimdienste und die Staatsanwaltschaft. Nun gab Justizminister Adam Bodnar erste Ergebnisse bekannt. Zwischen 2017 und 2022 seien die Handys von 578 Personen ausgeforscht worden. Bodnar will den Bericht der Sonderermittler den Abgeordneten im Sejm vorlegen.

Die Staatsanwaltschaft kündigte Ermittlungen dazu an, ob die Einsätze rechtmäßig waren und korrekt ausgeführt wurden. Die Anträge auf Nutzung der Spionage-Software wurden demnach von verschiedenen staatlichen Stellen gestellt, darunter Polizei, Inlandsgeheimdienst und Grenzschutz. Mithilfe der Software können Gespräche von Smartphones abgehört sowie Daten abgeschöpft werden, etwa E-Mails oder Fotos.

Die Staatsanwaltschaft hat 31 Zeugen geladen

Die PiS-Regierung hatte das Programm im Jahr 2017 angeschafft und den Kauf sogar vor den eigenen Abgeordneten und Behörden verschleiert. Aus einem Bericht des Rechnungshofes ist bekannt, dass PiS umgerechnet etwa 5,4 Millionen Euro für die Software zahlte und sie über einen Fonds beschaffte, der den Namen "Opferhilfe und Bekämpfung von Kriminalitätsfolgen" trug. All das wurde schon Ende 2021 bekannt. Zuvor hatten Mitarbeiter des Citizen Lab der Universität von Toronto entsprechende Nutzungsdaten veröffentlicht.

Damit wurde klar, dass die PiS-Regierung das Programm gezielt gegen politische Gegner einsetzte, darunter gegen den Mann, der im Wahlkampf 2019 die Kampagne der Tusk-Partei Bürgerplattform steuerte. In den Wochen vor der Parlamentswahl 2019 tauchten angebliche Nachrichten auf, die er von seinem Handy verschickt hatte. Die Nachrichten waren teils verfälscht und wurden in falsche Zusammenhänge gebracht - und warfen ein sehr schlechtes Licht auf Krzysztof Brejza. Der heutige Europaabgeordnete ist sicher, dass die Wahl 2019 ohne diesen massiven Angriff auf ihn und die Partei anders ausgegangen wäre.

Brejza wird einer der Zeugen im Ermittlungsverfahren um den Einsatz von Pegasus sein. Insgesamt sind bislang 31 Zeugen geladen. Justizminister Adam Bodnar erklärte, er werde keinerlei Namen bekanntgeben, es sei allein den Betroffenen überlassen, sich dazu öffentlich zu äußern. Betroffen von der Ausspähung waren unter anderem auch ein heute stellvertretender Landwirtschaftsminister, eine Staatsanwältin, die sich gegen die Justizreform der PiS wehrte, sowie ein bekannter Anwalt. PiS soll das Programm auch gegen eigene Leute eingesetzt haben.

Präsident Duda und Ex-Minister Kamiński weisen alle Vorwürfe zurück

Der Europaabgeordnete Brejza hatte erst im vergangenen Oktober einen Prozess gegen den staatlichen Fernsehsender TVP gewonnen, der unter PiS ein Propagandasender der Regierung gewesen war. TVP hatte die gefälschten Nachrichten Brejzas verbreitet und eine Rufmordkampagne gegen ihn geführt. Die Nachrichtenredaktion musste sich öffentlich entschuldigen.

Eine Sprecherin von Präsident Andrzej Duda sowie der frühere PiS-Innenminister Mariusz Kamiński wiesen die Vorwürfe der unrechtmäßigen Verwendung von Pegasus zurück. Kamiński wurde Anfang des Jahres wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt, aber von Duda begnadigt.

Als Zeuge wird vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss der frühere Justizminister Zbigniew Ziobro erwartet. Gegen Ziobro wird auch der Vorwurf erhoben, er habe Mittel aus einem staatlichen Justizfonds zweckentfremdet; es gab deswegen eine Hausdurchsuchung bei ihm. Ziobro, der zuletzt wegen einer schweren Erkrankung im Krankenhaus behandelt wurde, sagte dem Sender Polsat, er werde "notfalls auf Krücken" vor dem Untersuchungsausschuss erscheinen, denn er wolle den "Lügen und Unterstellungen" ein Ende machen.

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