Es ist eine Wut, die sich aus der politischen DNA der Grünen nährt. Man könnte zurückblicken auf die Gründungsjahre, vor mehr als vier Jahrzehnten. Da mündete der Protest gegen Atomkraftwerke bald in die Entstehung dieser Partei. Aber auch für die Jüngeren ist die Idee mindestens absurd, die sich mit dem Stichwort Taxonomie verbindet. Für viele ist die Klimapolitik der zentrale Antrieb für ihr politisches Engagement. Dazu gehört der Ausstieg aus der Atomenergie genauso wie eine kritische Haltung zum Einsatz von Erdgas für die Energieversorgung. Und dann kommt auf einmal, für viele überraschend, die EU-Kommission und stuft die fossile Energiequelle als "nachhaltige Technologie" ein?
Die Empörung ist groß unter den Delegierten auf dem Parteitag. Das ist in vielen Redebeiträgen zu spüren, auch wenn sich die Dramaturgie dieser Konferenz eher um den Abschied des alten und die Wahl des neuen Vorstands rankt. Von einem "unfassbaren Fehler der Europäischen Kommission" spricht etwa Jutta Paulus, sie ist Abgeordnete im Europäischen Parlament, in der Debatte. Man müsse gegen dieses Vorhaben angehen. Wie andere auch klingt sie entschlossen und räumt dann beinahe im gleichen Satz ein: "Ich muss euch sagen, es wird nicht einfach." Denn gut einen Monat nach dem Bekanntwerden dieser EU-Pläne ist den Fachleuten in der Partei und auch vielen an der Basis bewusst, dass die Spielräume eng sind, auch wenn ihr bisheriger Parteichef Robert Habeck nun Wirtschaftsminister ist und Steffi Lemke die Umweltministerin.
Parteitag der Grünen:Zwei im neuen Kraftfeld
Die beiden Grünen-Chefs treten ab. Auch als Minister werden Annalena Baerbock und Robert Habeck wohl weiter den Ton in der Partei angeben. Aber ein anderer stört die Harmonie.
Lemke erinnert in ihrer Rede an den langen Kampf gegen die Nutzung der Atomenergie in Deutschland. "Wir werden in diesem Jahr endlich den Ausstieg vollenden", sagt sie und wiederholt das Wort: "Endlich. Für mich schließt sich da wirklich ein Kreis." Zum Ende des Jahres würden die letzten drei Atomkraftwerke im Land abgeschaltet, und natürlich werde sie auf europäischer Ebene dafür werben, dass anderswo keine neuen gebaut würden. "Auch deshalb", so Lemke, "sind wir so stark in die Taxonomie-Debatte eingestiegen", die Weichen dürften nicht falsch gestellt werden.
Habeck hatte schon in seiner Eröffnungsrede für Einsicht geworben, dass die Grünen in der Regierung an Grenzen stoßen. "Ein schwieriges Kapitel" sei die Sache mit der Taxonomie, sagte er. Aber es sei gut, dass die Grünen jetzt Einfluss nehmen könnten. "Das ist der Grund, warum wir in die Regierung reingegangen sind. Und da soll man nicht drüber klagen."
Es hätte wohl unter den Delegierten größere Unruhe gegeben, wäre die Entscheidung zur Taxonomie von den grünen Ministern ausgehandelt worden. Dies hatte allerdings die Vorgängerregierung übernommen. So aber beschloss die Grünen-Basis am Freitag kurz vor Mitternacht mit großer Mehrheit schlicht einen Antrag, der ihre Kabinettsmitglieder stützen sollte. Die Einstufung der Atomenergie als nachhaltige Technologie wird da scharf als "grob irreführend und falsch" verurteilt. Der Antrag ist lang und deutlich, gibt der Wut der Partei Ausdruck. Aber sein Wortlaut berücksichtigt auch Habecks Mahnung , dass sie auch in der Regierung nicht alles bestimmen können.