Parteitag der Grünen:Die Grünen müssen ihre Wunden lecken

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Es gibt einiges zu klären: Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt (Foto: dpa)
  • Die Grünen wollen sich auf einem Parteitag am Samstag über die gescheiterten Jamaika-Sondierungen aussprechen.
  • Neben der Wut über die FDP, die die Jamaika-Gespräche am Sonntag abbrach, gibt es an der grünen Basis viele kritische Fragen an die eigenen Leute.
  • Nicht offiziell auf dem Parteitagsprogramm steht die Frage, wer die nächsten Parteivorsitzenden der Grünen werden sollen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Eigentlich sollte es ein Aufbruch in die Regierungsverantwortung werden, jedenfalls hatten die Parteioberen sich das so vorgestellt. Der Parteitag der Grünen an diesem Samstag in Berlin aber dürfte nach dem Aus für Jamaika nun eher der gegenseitigen Aufrichtung dienen und der Verarztung grüner Wunden. 850 Delegierte wollen sich in einem ehemaligen Busdepot in Berlin-Treptow über die gescheiterten Jamaika-Sondierungen aussprechen. "Wir treffen uns gestärkt nach einem harten Wahlkampf und gestärkt nach noch härteren Sondierungen", sagte der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner. "Ich erlebe Anerkennung für das, was wir in der Gruppe an Geschlossenheit erlebt haben."

Bei warmen Worten für die 14 Jamaika-Unterhändler der Grünen aber dürfte es beim Parteitag nicht bleiben. Denn neben Wut über die FDP, die die Jamaika-Gespräche am Sonntag abbrach, gibt es an der grünen Basis viele kritische Fragen an die eigenen Leute. Kontrovers diskutiert werden dürften etwa die Kompromisse in der Flüchtlingspolitik, zu denen die Unterhändler am Ende der Sondierungen bereit waren. Eine finale Einigung stand dort zwar noch aus. Der Familiennachzug für Flüchtlinge aber wäre wohl nur eingeschränkt durchsetzbar gewesen. Die Grünen waren offenbar auch kurz davor, dem Wunsch der CSU nachzugeben, Tunesien, Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären - gegen alle Absichtserklärungen von Parteilinken wie der Bundesvorsitzenden Simone Peter.

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Viele sehen die Chancen einer großen Koalition wachsen

Aller Geschlossenheit zum Trotz - die Lage der Grünen war strategisch schon mal besser. Käme es erneut zu Sondierungen, wären die Punkte bekannt, an denen die Partei nachzugeben bereit ist. Und seit der Bundespräsident Neuwahlen verhindern will, sehen viele die Chancen einer großen Koalition wachsen. Manche hoffen zwar, mit einer schwarz-grünen Minderheitsregierung noch auf die Regierungsbank zu rutschen oder die Union zu dulden; dazu liegen mehrere Anträge am Parteitag vor. Fraktionschef Anton Hofreiter betonte zudem, theoretisch könne man auch ein Jamaika-Bündnis noch einmal sondieren. "Natürlich würden wir uns Gesprächen nicht verweigern", sagte Bundesgeschäftsführer Kellner. Die Aussichten aber schätzen auch die Grünen als eher gering ein.

Nicht offiziell auf dem Parteitagsprogramm steht die Frage, wer die nächsten Parteivorsitzenden der Grünen werden sollen. Die Grünen wollen das nach derzeitiger Planung im Januar entscheiden. Cem Özdemir hatte angekündigt, im Januar nicht erneut als Parteichef zu kandidieren.

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Offen ist, ob der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck Parteichef werden möchte. Ihn sähen viele Grünen gern an der Spitze. Aber auch Michael Kellner hat Ambitionen, ebenso wie der Europaabgeordnete Sven Giegold. Welche Frau im Januar an die Spitze der Grünen treten könnte, ist ebenfalls noch unklar.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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