Pakistan:Ex-Premier Khan kommt hinter Gitter

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Inhaftiert: Pakistans Ex-Premier Imran Khan soll für drei Jahre in Haft. Er rief seine Anhänger zum Widerstand auf. (Foto: Akhtar Soomro/Reuters)

Imran Khan hat sich in Pakistan mit dem mächtigen Militär überworfen - nun verurteilt ein Gericht den Ex-Regierungschef zu drei Jahren Gefängnis. Seine Anhänger wittern ein Komplott.

Von Tobias Matern

Er hatte eine Vorahnung. Denn in den vergangenen Monaten sah er sich einem Verfahren nach dem nächsten ausgesetzt, 180 Prozesse liefen inzwischen gegen ihn - so hat es Imran Khan vor knapp drei Wochen im Interview der Süddeutschen Zeitung geschildert. "Früher oder später werde ich ins Gefängnis gehen, weil ich nicht in der Lage sein werde, mich gegen all diese Fälle zu verteidigen", sagte der pakistanische Ex-Premier da. Aus seiner Sicht sind alle Fälle grundlos und politisch motiviert.

Am Wochenende nun ist seine Vorhersage eingetreten. Ein Gericht in der Hauptstadt Islamabad verurteilte den so charismatischen wie umstrittenen Politiker und früheren Kricket-Star wegen angeblicher Korruptionsvergehen in Abwesenheit zu drei Jahren Haft. Khan sei, teilte die Polizei mit, in seinem Wohnhaus in Lahore verhaftet und hinter Gitter gebracht worden.

Für Khan und seine Getreuen steht fest: Er ist das Opfer eines Komplotts. Der 70-jährige Politiker, der vergangenes Jahr durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt wurde, hat die beiden mächtigen Politik-Dynastien des Landes, die von den Familien Bhutto-Zardari und Sharif geführt werden, gegen sich. Und beide haben sich mit dem allmächtigen Militär zusammengetan.

"Er ist einfach zu beliebt im Moment."

"Das Urteil wurde gefällt, ohne dass unsere juristischen Argumente angehört worden sind", sagte Syed Zulfiqar Bukhari, früher Minister in Khans Kabinett, der Süddeutschen Zeitung nach dem Gerichtsbeschluss am Samstag. Khan werde das Urteil anfechten. Wenn es rechtskräftig wird, darf Khan in den nächsten fünf Jahren kein politisches Amt ausüben. Dem Ex-Premier wird zur Last gelegt, er habe Einnahmen für den Verkauf von Staatsgeschenken geheim gehalten. Das ganze Schauspiel, so Bukhari, diene einzig einem Zweck: "Imran Khan soll von den Wahlen ferngehalten werden, er ist einfach zu beliebt im Moment."

Tatsächlich gab der amtierende Premier Shehbaz Sharif erst vor einigen Tagen bekannt, dass in der kommenden Woche das Parlament aufgelöst und Neuwahlen abgehalten werden sollen. Allerdings entspinnt sich in Pakistan bereits das nächste Drama, da neue Zensus-Zahlen für die Abstimmung berücksichtigt werden sollen - dann ließen sich Wahlen nicht binnen der vorgeschriebenen 90 Tage abhalten. Die amtierende Regierung versuche mit Unterstützung des Militärs nun, Khan politisch kaltzustellen, meint Bukhari.

Khan hatte 2018 die Wahlen gewonnen und wurde Premier. Damals konnte er mit Rückendeckung der Armee triumphieren, ohne die im Atomstaat Pakistan keine zentrale Entscheidung fällt. Khan, einem Populisten, der zwar nur magere Ergebnisse als Regierungschef vorweisen kann, aber in weiten Teilen des Volkes weiter beliebt ist, gelang es, die Macht der Bhuttos und Sharifs zu brechen. Diese großen Polit-Dynastien wechselten sich in den vergangenen Jahrzehnten in wechselnder Konstellation an der Regierung ab und führten das Land meist extrem inkompetent.

"Wenn ihr nicht aufsteht, werdet ihr das Leben von Sklaven führen."

Gegen beide Familien gibt es Korruptionsvorwürfe, immer wieder überwarfen sie sich mit dem Militär oder schlossen, wie im Moment, einen Deal auf Zeit. Die Bhuttos und Sharifs gingen nach Khans Sturz im April 2022 ein Regierungsbündnis ein, obwohl sie sich in der Vergangenheit das ein oder andere Mal spinnefeind gegenüberstanden. Nun hat sie der gemeinsame Gegner zusammengeschweißt.

Anhänger Imran Khans bei einer Demonstration am Samstag in der pakistanischen Stadt Quetta. (Foto: Banaras Khan/AFP)

Khan avancierte im muslimischen Pakistan zum Volkshelden, als er die Kricket-Nationalmannschaft 1992 als Kapitän zum Weltmeistertitel führte. Er arbeitete nach dem Ende seiner Sportlaufbahn beharrlich an seiner politischen Karriere und verließ das Land auch in den Zeiten nicht, als ein General regierte und er es im Exil bequemer gehabt hätte. Den jetzigen Konflikt will er ausfechten: "Ich weigere mich, das Land zu verlassen", sagte er der SZ jüngst.

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Neutrale Beobachter in Pakistan sind überzeugt, dass Khan auch die nächsten Wahlen, sollte er antreten dürfen, gewinnen würde. Die Analysten unterstreichen, dass er oft populistisch gegen die USA austeile und sich ideologisch nicht deutlich genug von den Taliban distanziere, die seit dem katastrophalen Abzug des Westens im Nachbarland Afghanistan seit zwei Jahren wieder an der Macht sind. Als korrupt stufen Khan sie aber nicht ein. "Sie haben Angst vor ihm", sagt ein Analyst über das mächtige Establishment des Landes. Daher versuchten sie mit aller Macht, ihn aus der Politik fernzuhalten.

Khans Team veröffentlichte nach der Verhaftung eine Videobotschaft des Ex-Premiers: "Wenn euch diese Nachricht erreicht, werde ich im Gefängnis sein." Und er ruft seine Anhänger zum Protest auf: "Wenn ihr nicht aufsteht, werdet ihr das Leben von Sklaven führen. Ihr müsst den friedlichen Protest fortsetzen." Der geschasste Premier weiß genau: Wenn er noch eine Chance haben will, geht das nur mit Unterstützung der Massen.

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