Diplomatie:Herr Scholz auf der Suche nach Verbündeten

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Olaf Scholz hat nicht nur Deutschland für drei Tage verlassen, sondern damit auch die "Komfortzone" westlicher Einigkeit gegen den russischen Angriffskrieg. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Natürlich ist der Krieg in der Ukraine auch auf der Afrika-Reise des Bundeskanzlers das große Thema - zumal die Regierungen der besuchten Länder den russischen Überfall nicht ganz so kritisch sehen wie der Westen.

Von Daniel Brössler, Dakar

Macky Sall muss man sich als gefragten Mann vorstellen. Senegals Präsident hat derzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) inne. Sein Land wird gepriesen als stabil und obendrein demokratisch. Für Ende Juni hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Sall als Gast nach Elmau zum G-7-Gipfel der wirtschaftsstärksten Demokratien eingeladen, ebenso wie die Staatschefs aus Südafrika, Indien, Indonesien und Argentinien. Zu Beginn seiner ersten Afrika-Reise führte Scholz' erster Weg am Sonntag in den Präsidentenpalast in Dakar. Dort allerdings ist man nicht nur mit Vorbereitungen der Reise nach Elmau beschäftigt. Sall will demnächst als AU-Vorsitzender dem russischen Staatschef Wladimir Putin seine Aufwartung machen.

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Womit Scholz dann auch gleich beim großen Thema seiner dreitägigen Reise wäre, die ihn nach einer Station in Niger zum Schluss auch nach Südafrika führen soll. Es geht um den Krieg in der Ukraine und dessen immense geopolitische Konsequenzen und somit, wie im Kanzleramt angekündigt wurde, auch heraus aus der "Komfortzone" westlicher Einigkeit in der Reaktion auf den russischen Angriffskrieg. Senegal und Südafrika sind ausdrücklich als Demokratien nach Elmau geladen.

Sanktionen gegen Russland sind in Afrika sowieso kein Thema

Scholz sucht in ihnen Verbündete gegen den chinesisch-russischen Block der Autoritären. Beide gehören aber auch zu jenen Staaten, die sich am 2. März in der Generalversammlung der Vereinten Nationen bei der Abstimmung über die Verurteilung des russischen Angriffskrieges enthalten haben. Eine klare Positionierung vermeiden sie - und Sanktionen gegen Russland sind in Afrika ohnehin kein Thema. Man wünsche sich, sagt Sall bei der Pressekonferenz mit Scholz, einen "gerechten Frieden für Russland, die Ukraine und die ganze Welt".

Senegal habe, sagt Sall, direkt nach Kriegsbeginn sehr wohl betont, dass Grenzen respektiert werden müssten. Aber es handele sich eben um einen Konflikt auf einem anderen Kontinent, der Folgen für Afrika habe. "Wir wollen nicht Partei in diesem Konflikt sein", sagt er. Vielmehr wünsche man sich "Dialog und einen Waffenstillstand". Es ist ein Wunsch, der auch mit wachsender Not in Afrika zu tun hat. Vom Krieg in der Ukraine sind die afrikanischen Staaten durch die steigenden Rohstoffpreise und knapper werdenden Lebensmittel massiv betroffen - was allerdings nicht zwingend zu einer Distanzierung von Moskau führt.

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Im Auftrag der AU soll Sall mit Putin darüber sprechen, wie die Lage für Afrika gelindert werden kann. Das scheint zu einem Schreckensszenario zu passen, das Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) kürzlich in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik beschrieben hat: dass sich auf der einen Seite der Westen rund um die G 7 formiert und auf der anderen Seite "Brics plus". Brics ist der lose Zusammenschluss aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Russland ist genau an dieser Entwicklung gelegen und das zumindest vordergründig mit einigem Erfolg. Nach einer Brics-Videoschalte bekräftigten die fünf Außenminister am Donnerstag ihr Bekenntnis zu "Multilateralismus durch die Aufrechterhaltung des internationalen Rechts", als habe es den russischen Überfall auf die Ukraine und die Kriegsverbrechen dort nie gegeben. Sall kündigt allerdings auch an, nicht nur nach Moskau reisen zu wollen. Auch Präsident Wolodimir Selenskij wolle er in Kiew besuchen. Was dazu führen könnte, dass Sall noch vor Scholz die kriegsgeplagte ukrainische Hauptstadt besucht. Scholz sagt nur, er werde seine vielen Gespräche mit Selenskij "in geeigneter Weise" fortführen.

Druck ausüben? Das kommt für den Kanzler nicht infrage

Erst einmal soll die Afrika-Reise des Kanzlers der Überzeugungsarbeit dienen und auch russischer Desinformation entgegenwirken. Gemeinsam müsse man "auf das setzen, was uns ausmacht", sagt Scholz in Dakar, "Demokratie und Freiheit". Nur darum geht es allerdings auch nicht. Wenn Scholz aus dem Präsidentenpalast aufs Meer schaut, sieht er einen Tanker mit vier kugelförmigen Behältern für LNG-Gas. Sall wirbt dann im Gespräch leidenschaftlich dafür, in die Erschließung senegalesischen Gases zu investieren. Für die "dogmatische" Weigerung europäischer Kreditgeber, in die Ausbeutung fossiler Energieträger zu investieren, hat er kein Verständnis. "Das ist eine Frage, bei der ich vor Freude tanze", sagt er, als ein Journalist sich nach LNG-Lieferungen für Europa erkundigt. Scholz tanzt nicht, aber er nennt es "eine Sache, die intensiv zu verfolgen Sinn macht". Als Ersatz für russische Lieferungen scheint LNG-Gas von überall her willkommen zu sein.

Im bitterarmen Niger dürfte der Krieg in Europa für einige Stunden etwas in den Hintergrund treten. Erstmals besucht Scholz die Bundeswehr im Auslandseinsatz. Sie ist dort nordöstlich der Hauptstadt Niamey an der EUTM-Mission der Europäischen Union in der Ortschaft Tillia mitten in der Wüste beteiligt. Dabei unterstützt die Bundeswehr seit 2018 die Streitkräfte mit Training und Ausbildung für den Kampf gegen islamistische Terrorgruppen. Bis zu 200 Soldaten sind dort im Einsatz, neben der Ausbildung eines nigrischen Bataillons helfen die Deutschen beim Aufbau einer Spezialkräfteschule. Der Einsatz gilt - anders als eine ähnliche Mission in Mali - als erfolgreich und soll Ende 2022 abgeschlossen werden.

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