Seit Monaten kursieren Gerüchte über den Inhalt der Chatprotokolle, welche die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beim Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag), Thomas Schmid, im Herbst 2019 sichergestellt hatte. Die Öbag verwaltet die Staatsbeteiligungen an österreichischen Konzernen, Schmid war während der ÖVP/FPÖ-Koalition deren Chef geworden. Seit Längerem hatten es Hinweise gegeben, dass er sich die Ausschreibung für den Vorstandsjob der neu geschaffenen AG auf den Leib geschneidert und einen Aufsichtsrat nach eigenem Gusto zusammengestellt hatte.
Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel, gegen den derzeit wegen Bestechlichkeit ermittelt wird, hatten immer bestritten, dass dieser Prozess vom Kanzleramt gesteuert wurde - und Teil eines "Postenschachers" zwischen den Koalitionspartnern gewesen sei. Diesen Verdacht beleuchtet derzeit ein Untersuchungsausschuss "betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung" im Parlament.
Schmid hatte, als die Koalition nach dem Ibiza-Skandal auseinanderfiel und die Staatsanwaltschaft nach einer anonymen Anzeige Ermittlungen aufnahm, alle Daten auf seinem Handy gelöscht; sie konnten aber wiederhergestellt werden. Seit diese ausgewertet werden, herrscht merkliche Unruhe in Regierungskreisen. Nun ist - in Teilen - bekannt, was in den Chats zu finden war, und das dürfte den Kanzler samt seiner "neuen" ÖVP gewaltig unter Druck setzen.
Die WKStA hat in einer ersten Auswertung, die der SZ vorliegt, "Erkenntnisse in Bezug auf die Vorstandsbestellung von Mag. Schmid" sowie sein Vorgehen bei "Postenbesetzungen Dritter" zusammengetragen. Und die Ergebnisse haben es in sich. Demnach hatte Schmid in Zusammenarbeit mit seinem Pendant bei der FPÖ, Arnold Schiefer, schon vor der Wahl 2017, bei welcher der damalige Außenminister Kurz zum Kanzler aufstieg, den Auftrag, ein neues Konzept für die staatliche Beteiligungsgesellschaft samt Jobverteilung für ÖVP und FPÖ zu zimmern. "Cooler Deal für die ÖVP" meldete Schmid und freute sich, dass ein "Alleinvorstand" für die eigene Partei und zwei Aufsichtsratsposten für die FPÖ herausspringen würden.
Kanzler Kurz scheint früh involviert gewesen zu sein
In der ÖVP war früh klar gewesen, dass er diesen Posten erhalten solle; Schmid machte, bevor er den Zuschlag bekam, bereits mit einer Mitarbeiterin Pläne für Klimaanlage und Chauffeur. Noch bevor die AG stand, formulierte Schmid auch mit Unterstützung des Finanzministers Reform und Zuschnitt; "Schmid AG fertig" kommentierte Blümel nach dem Zustandekommen des Öbag-Gesetzes im Dezember 2018.
Um Vorstandschef zu werden, schrieb sich Schmid, wie die Ermittler anhand der ausgewerteten Chatprotokolle belegen können, noch als Generalsekretär des Finanzministeriums selbst die Ausschreibung für die Stelle und sorgte dafür, dass die Anforderung nach "Internationalität" gestrichen wurde; er habe nämlich keine Managementerfahrung im Ausland.
Wie eng Kurz involviert war, wird aus dem Papier der WKStA ebenfalls deutlich: "Bemerkenswert ist auch, dass offenbar bereits am 5. September 2018, also vor der Einigung von Mag. Schmid und Mag. Schiefer, ein Termin hinsichtlich der Aufsichtsräte der Öbag zwischen Kurz, Mag. Bonelli (dem Kabinettschef des Kanzlers; die Red.), und Mag. Schmid stattgefunden hat." Den Aufsichtsrat handelte Schmid dann unter anderem in Absprache mit der Kanzler-Vertrauten und Immobilienmaklerin Gabriela Spiegelfeld aus, die Frauen für Vorstandsposten suchen sollte.
"Mir gehen die Weiber so am Nerv. Scheiß Quote", schrieb Spiegelfeld an Schmid, bevor dann eine Kandidatin gefunden wurde, die gut "steuerbar" und mit der Raiffeisenbank verbandelt sei und schon "delikate Sachen" erledigt habe. Spiegelfelds Mann, einer der zahlreichen, von der damaligen Koalition mit lukrativen Posten bedachten Großspender der ÖVP, wurde unter Türkis-Blau Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesforste.
"Ich liebe meinen Kanzler"
Was lange währte, wurde dann endlich gut: Am 27. März 2019 wurde Schmid zum alleinigen Vorstand der Öbag bestellt. Kurz hatte ihm zuvor noch geschrieben: "Kriegst eh alles, was Du willst." Schmid antwortete, er sei so glücklich; "ich liebe meinen Kanzler." Wenige Wochen später wurde das Ibiza-Video veröffentlicht - und die türkis-blaue Regierung brach auseinander.
Sowohl Kurz und Blümel als auch Schmid, Spiegelfeld und Bonelli hatten bei ihren Aussagen vor dem Ibiza-Ausschuss zur Bestellung Schmids und zur Konstruktion der Öbag nur vage geantwortet und eine Befassung mit der Causa im Detail negiert. Mit dem "Amtsvermerk" der WKStA, der als Wendepunkt für die ÖVP unter Kurz gelten muss und über den zuerst die Presse berichtete, werden diese Aussagen neu beleuchtet werden müssen. Der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer sagte dazu: "Postenschacher, Korruption, Sexismus - alles schwarz auf weiß." Christian Hafenecker von der FPÖ fordert die Ablösung vom Chef der "Ich AG Schmid" und sieht auch in den Aussagen von Kurz und Blümel vor dem Ausschuss einen "Rücktrittsgrund". Die Regierung hielt sich bedeckt. Ein Sprecher von Blümel verwies auf Anfrage der Presseagentur APA auf die Zuständigkeit des Öbag-Aufsichtsrates, dieser treffe die Personalentscheidungen der Staatsholding.