Die österreichische Staatsholding Öbag, in welcher die Republik ihre Beteilungen verwaltet, sah sich am Montag zu einem ungewöhnlichen Statement genötigt: Man sei "nicht Partei oder Beschuldigte" des laufenden Ermittlungsverfahrens gegen den eigenen Vorstandschef Thomas Schmid. Es gebe keinen neuen Verdacht, keinen Handlungsbedarf. In Kurzform besagte die Presseerklärung: Wir fühlen uns nicht zuständig, werden die Sache aber weiter beobachten. Vorläufig hat Schmid also das Vertrauen des Aufsichtsrats, den er, wenn man die Ermittlungsakten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) richtig deutet, mutmaßlich selbst zusammengestellt hat.
Vorausgegangen waren der Erklärung am Sonntag Berichte in praktisch allen österreichischen Medien über den Inhalt von Chatprotokollen, in denen sich Schmid auf seinem Weg vom Generalsekretär im Finanzministerium zum Alleinvorstand der Öbag mit Regierungsmitgliedern bis hinauf zu Kanzler Sebastian Kurz ausgetauscht hatte. Nachvollzogen werden konnte so, wie in der türkis-blauen Koalition mit ÖVP und FPÖ von 2017 bis 2019 die Reform der Staatsholding samt ihrer personellen Besetzung in Vorstand und Aufsichtsrat durchgezogen wurde - und sich Schmid mit Unterstützung des Kabinetts zum einzigen, ernst zu nehmenden Kandidaten für deren Führung gemacht hatte. Im Frühjahr 2019, wenige Wochen vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos und dem Ende der ersten Koalition Kurz, wurde er zum Öbag-Chef bestellt.
Mehr als pikant ist das deshalb, weil sowohl der "Ibiza"-Ausschuss im Parlament als auch die WKStA derzeit erforschen, ob es in der ÖVP-FPÖ-Ära zu Postenvergaben oder "Gesetzeskauf" aufgrund von illegitimen Absprachen zwischen Regierungsparteien und Parteispendern gekommen ist. Im Ausschuss, in dem für Auskunftspersonen die Wahrheitspflicht gilt, hatten das alle handelnden Personen verneint und bis hinauf zum Kanzler angegeben, nur am Rande in die Besetzung der Öbag-Spitze eingebunden gewesen zu sein.
Alle Oppositionsparteien forderten daher am Montag auf ihren Pressekonferenzen Konsequenzen. Die Neos sprachen von "Freunderlwirtschaft" und forderten die Überprüfung der entsprechenden Bestellungen für Führungsjobs sowie den Rücktritt von Kurz. Es sei klar, dass Kanzler und Finanzminister im Untersuchungsausschuss gelogen hätten. Auch die SPÖ verlangte, dass der Finanzminister erst Schmid abberufen und dann selbst gehen solle. Die FPÖ erwartet weitere Enthüllungen, da bisher nur einige von mehr als 300 000 SMS, Fotos und Tagebucheintragungen von den Ermittlern ausgewertet seien. "Nach den aktuellen Veröffentlichungen werden zahlreiche Rücktritte unumgänglich sein. Ich fordere in einem ersten Schritt die sofortige Abberufung von Öbag-Alleinvorstand Schmid", so das FPÖ-Ausschussmitglied Christian Hafenecker.