Nordrhein-Westfalen:Schuldenlast der Kommunen soll sinken - aber wie?

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Ministerin Ina Scharrenbach und ihr Chef, Ministerpräsident Hendrik Wüst, wollen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen entlasten. (Foto: Ina Fassbender/AFP)

Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland will klammen Gemeinden die Hälfte ihrer Verbindlichkeiten abnehmen. Der Bund soll sich genauso beteiligen. Doch das ist ungewiss.

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht um enorm viel Geld - und um die Handlungsfähigkeit der Kommunen in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland: 199 von 429 Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gelten als übermäßig verschuldet. Und die Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank werden deren Probleme noch verschlimmern. Um gegenzusteuern, will nun die Landesregierung die Hälfte dieser Altschulden übernehmen. Zugleich hofft die schwarz-grüne Koalition darauf, dass der Bund die andere Hälfte schultert. Doch das ist nicht ausgemacht.

Die Initiative stellte die für Kommunales zuständige Landesministerin Ina Scharrenbach am Montag vor. Obwohl darüber lange diskutiert worden war, kam der plötzliche Vorstoß überraschend. Die Landesregierung wolle "gemeinsam mit Kommunen und Bundesregierung an einem Strang ziehen, um diese historische Chance einer umfassenden Entschuldung zu ermöglichen", sagte die CDU-Politikerin.

Nordrhein-Westfalen ist bei den Kassenkrediten trauriger Spitzenreiter

Insgesamt haben die Gemeinden in dem Bundesland mehr als 21 Milliarden Euro sogenannter Kassenkredite angehäuft - womit Nordrhein-Westfalen trauriger Spitzenreiter ist. Übernommen werden aber nur Verbindlichkeiten, die über 100 Euro pro Einwohner liegen und damit als übermäßig angesehen werden. Das betrifft 19,7 Milliarden Euro Schulden, die sich auf 199 Gemeinden verteilen.

Die Landesregierung will die Hälfte übernehmen, also 9,9 Milliarden Euro. Die andere Hälfte soll der Bund tragen. Tatsächlich versprach Olaf Scholz (SPD) schon 2019 als damaliger Bundesfinanzminister, Kommunen von einem Teil der Lasten zu befreien. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung findet sich das Vorhaben ebenfalls. Im März veröffentlichte das Bundesfinanzministerium dann ein Eckpunktepapier, demzufolge der Bund wirklich für die Hälfte der Kassenkredite einstehen will. Darauf beruft sich nun die Landesregierung in Düsseldorf.

Allerdings müsste für solche Finanzspritzen des Bundes das Grundgesetz geändert werden. Dafür ist die Unterstützung von CDU/CSU in Bundestag und Bundesrat nötig. Und die Union will dem nur zustimmen, wenn die Länder im Gegenzug Schuldenbremsen erlassen, damit die Kommunen nicht in 15 Jahren wieder vor den gleichen Problemen stehen. Erschwerend kommt hinzu, dass Bayerns Landesregierung Schuldenerlasse aus dem Bundeshaushalt per se ablehnt. Kein Wunder: In Bayern oder auch Baden-Württemberg und Sachsen sind die Kommunen kaum verschuldet. Die höchsten Kassenkredite pro Einwohner fallen im Saarland, in Rheinland-Pfalz und auf dem dritten Platz eben in Nordrhein-Westfalen an.

Die Opposition sieht eine Mogelpackung

Landesministerin Scharrenbach versichert, ihre Regierung werde in jedem Fall 50 Prozent der Schulden übernehmen, selbst wenn der Bund am Ende nicht mitziehen sollte. Die CDU-Politikerin will jedoch die Bedenken der Unionsfraktion im Bundestag ausräumen und per Gesetz "ein Wiederverschuldungsverbot" für die Kommunen festschreiben. Allerdings werde dies ein Verbot "in Grenzen" sein, es werde Ausnahmen geben. Über die genaue Ausgestaltung werde sie mit den Rathäusern reden.

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Dies könnten schwierige Gespräche werden. Zumal sich bei den Kommunen die Begeisterung über die Initiative ohnehin in Grenzen hält. Denn die Landesregierung will Zinsen und Tilgung für die übernommenen Schulden dadurch finanzieren, dass sie mehr Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer einbehält und weniger als bisher an die Kommunen weiterreicht. Dies würde aber "den finanziellen Spielraum der Städte" einschränken, klagt Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen. Der CDU-Politiker sitzt dem Städtetag in Nordrhein-Westfalen vor. Jochen Ott, der Chef der SPD-Fraktion im Landtag, spricht sogar von einer "Mogelpackung".

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