Nordmazedonien:Eine Vereinbarung, die viele Zweifel weckt

Lesezeit: 2 Min.

Demonstranten protestieren in Skopje mit der aktuellen (links) und der alten Nationalfahne gegen den Kompromissvorschlag im Streit mit Bulgarien. (Foto: Boris Grdanoski/dpa)

Ein Abkommen mit Bulgarien soll endlich den Weg frei machen für EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Doch die Annäherung könnte schon bald wieder ins Stocken geraten.

Von Tobias Zick, München

Man habe ja derzeit nicht viele gute Nachrichten zu verkünden, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag, aber dies sei definitiv eine: Die langjährige Blockade der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien sei nun gelöst; ein "historischer Moment". Borrell hob besonders die Rolle des Parlaments von Nordmazedonien hervor: Dessen Votum habe "eine Tür geöffnet".

In der Tat ist in den völlig festgefahrenen Prozess nun zumindest wieder etwas Bewegung gekommen. Das nordmazedonische Parlament hat am Samstag einem Verhandlungsrahmen zugestimmt, der den Konflikt mit dem benachbarten EU-Mitglied Bulgarien entschärfen soll - und dessen Blockadehaltung auflösen. Bulgarien sperrt sich seit 2020 gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien - und fordert, das Nachbarland solle zuerst einmal seine eigene offizielle Geschichtsschreibung der bulgarischen anpassen.

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So soll etwa die bulgarische Besatzung während des Zweiten Weltkriegs in Schulbüchern nicht länger als "faschistisch" bezeichnet werden, zudem besteht Sofia darauf, dass die Sprache des Landes eigentlich nur ein Dialekt des Bulgarischen sei. Der neue Verhandlungsrahmen, der den Konflikt lösen soll und auf einem französischen Kompromissvorschlag basiert, sieht unter anderem vor, dass Nordmazedonien seine Verfassung ändert und darin die bulgarische Minderheit im Land explizit anerkennt. Bulgarien erklärt sich im Gegenzug etwa bereit, Sprache und Identität des "mazedonischen Volkes" uneingeschränkt anzuerkennen.

Für den französischen Kompromissvorschlag stimmten 68 der 120 Abgeordneten im Parlament von Skopje. Die Fraktion der nationalkonservativen Oppositionspartei VMRO-DPMNE hatte vor der Abstimmung geschlossen den Saal verlassen. Die vorangegangenen Debatten waren begleitet von Demonstrationen auf den Straßen von Skopje. Ein Slogan lautete etwa: "Nordmazedonien steht nicht zum Verkauf".

Premier Dimitar Kovačevski hatte dagegen dafür geworben, ein "unvollkommenes Abkommen" zu akzeptieren. Am Sonntag dann reiste Außenminister Bujar Osmani nach Sofia, um mit seiner bulgarischen Kollegin Teodora Gentschowska ein Protokoll zu unterzeichnen, das einzelne Schritte und Fristen zur Beilegung der Streitpunkte um die Geschichtsdeutung vorsieht. Bulgariens Premier Kiril Petkow, der nur noch geschäftsführend im Amt ist, lobte den gemeinsamen Schritt in diesem "nicht leichten Prozess".

"Ich verstehe, dass ihr frustriert seid, ich bin es auch", sagt Ursula von der Leyen

Kurz vor der Abstimmung in Skopje hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dort massiv für den französischen Kompromissvorschlag geworben: "Ich ermutige Sie: Ergreifen Sie diese Gelegenheit", sagte sie am Donnerstag vor dem nordmazedonischen Parlament und versuchte die Befürchtung zu entkräften, Bulgarien könne dennoch auch in Zukunft den Beitrittsprozess untergraben: "Bilaterale Angelegenheiten wie die Interpretation der Geschichte sind keine Bedingungen der Beitrittsgespräche", sagte sie.

Doch Kritiker bezweifeln, dass das Abkommen nun wirklich den Weg des Landes in Richtung Europa frei machen werde. "Das Problem ist, dass die EU uns oft belogen hat", sagte etwa der Politologe Zoran Nechev vom Institut für Demokratie in Skopje der französischen Tageszeitung Le Monde: Auch "proeuropäische Intellektuelle und Experten" wie er selbst hegten massive Zweifel, so Nechev. Nordmazedonien war in den vergangenen Jahren immer wieder in seiner Hoffnung auf EU-Beitrittsverhandlungen enttäuscht worden. 2019 hatte die damalige Regierung den Landesnamen um den Zusatz "Nord-" erweitert, um einen Konflikt mit Griechenland zu entschärfen.

Wenig später legte Frankreich ein überraschendes Veto gegen die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien ein, dann kam die bulgarische Blockade. "Ich verstehe, dass ihr frustriert seid, ich bin es auch", sagte von der Leyen in Skopje. Doch nun müht sich die EU-Kommission, Aufbruchstimmung zu verbreiten: An diesem Dienstag wird Premier Kovačevski zu einer Regierungskonferenz in Brüssel erwartet.

Doch die weitere Annäherung könnte auch an innermazedonischem Widerstand scheitern: Das Abkommen mit Bulgarien sieht schließlich vor, dass Nordmazedonien seine Verfassung ändert. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit, also auch Stimmen der Oppositionspartei VRMO-DPMNE. Die hat bereits klargestellt, dass sie dafür nicht zu haben ist.

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