Nordkorea und China:Wie China den Konflikt mit Nordkorea sieht

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Immer noch Chinas Bollwerk gegen die USA: Kundgebung im Zentrum von Pjöngjang. (Foto: KIM Won-Jin/AFP)
  • Trump glaubt, der Schlüssel zur Lösung des Atomkonflikts mit Nordkorea liege in China.
  • China sieht das anders: Verantwortlich für die atomare Bewaffnung Nordkoreas sei die provozierende Haltung der USA.
  • Für Chinas Aufstieg in der Welt stellen die oftmals feindseligen USA das viel größere Problem dar, als Nordkorea.

Von Kai Strittmatter, Peking

Aus der Sicht von Donald Trump und seinen Leuten ist alles ganz einfach: Nordkorea und seine Atomwaffen sind ein Riesenproblem, vielleicht die größte außenpolitische Herausforderung für die Vereinigten Staaten. Und der Schlüssel für die Lösung des Problems liegt in China. Peking, glaubt der US-Präsident, könne Nordkorea ganz einfach den Saft abdrehen. "China könnte das Problem locker lösen" schrieb er vergangene Woche auf Twitter.

Aus Pekings Sicht sieht das ganz anders aus. Verantwortlich für die atomare Bewaffnung Nordkoreas, so sieht das die KP-Führung, sei einzig die feindselige Haltung der USA: Je mehr sich das Regime in Pjöngjang von Washington bedroht fühlt, umso verbissener wird es nach schlagkräftigen Atomraketen streben. China ist der letzte Alliierte Nordkoreas. Peking wollte eigentlich nie Nuklearwaffen in den Händen der Kim-Dynastie sehen, stellt sich aber auf den Standpunkt, das sei letztlich kein chinesisches Problem: Nordkorea und die USA müssten direkt miteinander sprechen.

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Die Lage zwischen den USA und Nordkorea spitzt sich weiter zu. Pjöngjang spricht Trump nach der jüngsten Äußerung jegliche Vernunft ab - und äußert konkrete Pläne, Guam anzugreifen.

Nun hat Trump gedroht, er werde Nordkorea überziehen mit "Feuer und Zorn wie es die Welt noch nie gesehen hat". Die Propaganda Nordkoreas hat im Gegenzug angekündigt, das US-Territorium Guam ins Visier zu nehmen (was sie fast wortgleich so schon öfter getan hat). Aus den Reaktionen in Peking sind Sorge und Enttäuschung herauszulesen. Washington gieße "Öl ins Feuer", schrieb die nationalistische Pekinger Global Times. Chinas Regierung versucht schon die ganze Woche, die Rolle des einzig Nüchternen im Raum auszufüllen, das Außenministerium mahnte beide Seiten zu "Zurückhaltung" und "Dialog".

Trumps Ausbruch hat China überrascht. Eigentlich glaubte man in Peking, gerade etwas Zeit gewonnen zu haben: China hatte ebenso wie Russland am Samstag erst neuen UN-Sanktionen gegen Nordkorea zugestimmt. Die Kosten für die Umsetzung der Sanktionen hat dabei, in den Worten von Außenminister Wang Yi "am Ende zu einem großen Teil China zu tragen". Das stimmt, und zwar aus einem einfachen Grund: China ist der letzte große Handelspartner seines Nachbarn Nordkorea. 80 Prozent des Handelsvolumens Nordkoreas laufen über China. China stellt die Energie und die Lebensmittel bereit, die dem Staat das Überleben sichern und seiner Elite Luxus und Sicherheit ermöglichen.

Richtige Freunde sind die beiden Länder dabei schon lange nicht mehr. China ist seit vielen Jahren frustriert über die Weigerung Pjöngjangs, seinem wirtschaftlichen Reformweg zu folgen. Das Atomprogramm Nordkoreas beschleunigte die Entfremdung, die zuletzt sichtbar wurde bei der Ermordung von Kim Jong-nam, eines Halbbruders von Diktator Kim Jong-un. Kim Jong-nam hatte in Macao gelebt, unter chinesischem Schutz. Innerhalb Chinas ist die Treue der KP-Führung zum Nachbarregime längst nicht mehr unumstritten: Im chinesischen Internet wird Kim Jong-un mit Spott überschüttet, sein Regime erinnert viele Chinesen an die schlimmsten Zeiten maoistischer Tyrannei. Und selbst unter chinesischen Akademikern werden ab und an zaghaft Stimmen laut, die eine Neujustierung der Haltung gegenüber Nordkorea vorschlagen.

China stoppte im Frühjahr schon sämtliche Kohleimporte Nordkoreas

Partei- und Staatschef Xi Jinping allerdings hat im Herbst den für ihn wichtigsten politischen Termin der vergangenen fünf Jahre vor sich: den 19. Parteitag der Kommunistischen Partei, wo die Macht neu sortiert wird. Vor diesem Parteitag ist eine neue chinesische Koreapolitik ohnehin undenkbar. Aber auch für die Zeit danach muss man nicht auf große Überraschungen hoffen. Chinas Kalkül ist einfach: Ein atomar bewaffnetes Nordkorea ist ein Risiko, und schadet chinesischen Interessen, auch weil Südkorea oder Japan nachziehen könnten. Aber die viel größere Gefahr für Chinas Aufstieg sind die oftmals feindseligen Vereinigten Staaten von Amerika.

China stoppte im Frühjahr schon sämtliche Kohleimporte Nordkoreas, aber in Peking geht man davon aus, dass Sanktionen, egal welcher Art, Kim Jong-un nie einknicken lassen werden: Das Regime und sein Atomprogramm haben schon Hungersnöte überstanden. Ja, Peking hätte es wohl in der Hand, Nordkoreas Kanäle zur Außenwelt komplett zu blockieren und das Regime so zum Kollaps zu bringen - wahrscheinlich der einzige Weg, das Atomprogramm zu stoppen. Aber eben dies wird China nie tun. Man weiß dort, dass der Zusammenbruch des Kim-Regimes Chaos, Bürgerkrieg und Flüchtlingswelle bedeutet, vielleicht gar die chemische oder atomare Verseuchung. Und ohne das Bollwerk Kim stünden bald US-Truppen an der chinesischen Grenze.

Hinzu kommt die in Washington herrschende Vielstimmigkeit. Erst wütet Trump gegen Chinas Nordkoreapolitik, dann äußert er Verständnis, vor zwei Wochen dann schaltet er wieder in den Angriffsmodus. Während US-Außenminister Rex Tillerson beschwichtigend zu Protokoll gab, man "mache natürlich nicht China verantwortlich für die Lage in Nordkorea", tat sein Chef in wütenden Tweets genau das. Aus Chinas Sicht ist Trump im Moment kein verlässlicher Partner, für den es sich lohnte, ein Risiko einzugehen.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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