Ostasien:Kim Jong-un reist nach Wladiwostok

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Trafen sich schon 2019 in Wladiwostok: Kim Jong-un und Wladimir Putin. (Foto: AFP)

Moskau und Pjöngjang bestätigen, dass Nordkoreas Machthaber Präsident Putin trifft. Wahrscheinlich reden sie über Waffen. Sicher ist vorerst nur, dass sie dabei China nicht verärgern dürfen.

Von Thomas Hahn, Tokio

Voraussagen sind erst dann was wert, wenn sie sich bewahrheiten. Insofern kann sich die New York Times jetzt gratulieren: Vergangene Woche hatte die Zeitung mit Verweis auf amerikanische Geheimdienstinformationen berichtet, Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un werde sich diese Woche am Rande des Ost-Wirtschaftsforums in Wladiwostok mit Russlands Präsident Wladimir Putin treffen, um über mögliche Waffenlieferungen für Putins Angriffskrieg in der Ukraine zu reden. Und an diesem Montag stellte sich heraus: Kim Jong-un reist tatsächlich nach Russland.

Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete am Montag, in Pjöngjang habe sich ein gepanzerter Sonderzug Richtung Russland in Bewegung gesetzt. "Die Geheimdienste glauben, dass der Zug, in dem Kim Jong-un vermutet wird, nach Wladiwostok fährt", zitierte Yonhap einen Regierungsbeamten. Bald darauf bestätigte die Regierung in Moskau, dass Kim "in den kommenden Tagen" auf Einladung Putins nach Russland komme. Und schließlich kam auch aus Nordkorea die Nachricht, dass Kim Jong-un zum ersten Mal seit viereinhalb Jahren wieder außerhalb seines Landes unterwegs sei. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA berichtete, Kim werde "bald" Russland besuchen. Seine vorerst letzte Auslandsreise machte Kim Jong-un im April 2019. Auch damals traf er Putin in Wladiwostok.

Putin braucht Granaten und Panzerabwehrmunition

Moskau und Pjöngjang hielten die Informationen über das Treffen der beiden autoritären Staatsmänner sehr knapp. Es gab keine Details über Themen und Abläufe. KCNA meldete lediglich, Kim werde "den Kameraden Putin während des Besuchs treffen und mit ihm sprechen". Aber man darf wohl davon ausgehen, dass sich die beiden tatsächlich am Rande des Ost-Wirtschaftsforums zusammensetzen werden. Russische Medien haben berichtet, dass Putin dort sein werde. Wladiwostok liegt etwa 680 Kilometer von Pjöngjang entfernt und ist mit dem Zug recht gut zu erreichen. Und weil das Forum noch bis Mittwoch dauert, wird das Gespräch zwischen Putin und Kim wohl in den nächsten zwei Tagen stattfinden.

Worüber sie sprechen werden? Offiziell wird es auf diese Frage allenfalls nach dem Treffen eine Antwort geben. Aber nachdem die Geheimdienstinformationen der New York Times zur Abreise Kims schon richtig waren, dürften sie auch bei den Inhalten nicht falsch sein. Demnach geht es um Waffennachschub für Russlands Krieg in der Ukraine: Putin will von Kim Artilleriegranaten und Panzerabwehrmunition. Kim wiederum wünscht sich russische Technologie für Satelliten und Atom-U-Boote sowie Lebensmittelhilfe. Möglicherweise könnte Putin auch Verwendung für nordkoreanische Arbeitskräfte haben. Krieg und Mobilmachung kosten Manpower, die fluchtartige Ausreise Hunderttausender Russen hat den Arbeitskräftemangel noch verstärkt. Nordkorea könnte helfen mit billigen Leuten.

Außerdem wollen Kim und Putin vermutlich Zeichen setzen gegen die Bemühungen der USA und der Vereinten Nationen, ihre Länder zu isolieren. Wenn sie sich gegenseitig helfen, würden sie als Sanktionierte die Sanktionen des UN-Sicherheitsrats unterwandern. Die Botschaft wäre: Für uns gibt es keine Regeln. Allerdings werden Putin und Kim bei ihren Verhandlungen auch ein paar größere Zusammenhänge bedenken müssen. Sie dürfen ihren großen Partner China nicht verärgern.

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"Nordkorea kann verlangen, was es will, auch russische Technologie für die Entwicklung eines atomgetriebenen U-Boots, aber es liegt nicht in Russlands Interesse, diese Technologie zu liefern", sagt der Politikwissenschaftler Kim Sung-soo von der Hanyang-Universität in der Korea Times, "denn das würde fast sicher eine feindselige Reaktion Pekings hervorrufen und Japan dazu veranlassen, die Entwicklung von Atomwaffen in Betracht zu ziehen."

Im Westen war man um Gelassenheit bemüht. Im Sender CBS sagte US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Moskaus Annäherung an Pjöngjang zeige Russlands Verzweiflung. Ein möglicher Waffendeal werde beide "weiter isolieren". Und Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol setzte auf dem G-20-Gipfel in Delhi ein Zeichen für Kiew. Er versprach der Ukraine zusätzliche Hilfen im Wert von umgerechnet 2,1 Milliarden Euro.

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