Nordkorea:Kim Jong-un rüstet auf - aber nicht gegen Corona

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Kim Jong-un und seine Frau Ri Sol-ju auf einem Bildschirm im Bahnhof von Seoul. Der Ton wird rauer auf der koreanischen Halbinsel. (Foto: Anthony Wallace/AFP)

Nordkorea beschließt eine "Stärkung der Kriegsabschreckung", trotz drohender humanitärer Notlage. Und Südkoreas neue Regierung will sich gegen "ausländische Invasionskräfte" - sprich: Kim Jong-un - rüsten.

Von Thomas Hahn, Tokio

Nichts hält die Parteidiktatur Nordkorea vom Aufrüsten ab. Nicht die Pandemie. Nicht die Lebensmittelknappheit, die unter anderem wegen der Pandemie in dem abgeschlossenen Land herrscht. Und auch nicht die Abschreckungsstrategie der neuen konservativen Regierung in Südkorea. Diesen Eindruck bekommt man zumindest, wenn man den Abschlussbericht der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA von der jüngsten Sitzung der zentralen Militärkommission in Pjöngjang liest.

Drei Tage lang saßen die Spitzenmilitärs unter der Leitung von Staatschef Kim Jong-un zusammen. Zum Abschluss verabschiedeten sie unter anderem eine "militärische Garantie für die weitere Stärkung der Kriegsabschreckung des Landes". Kim Jong-un selbst sagte, die Zeit erfordere die "ständige Verbesserung (...) des militärischen und technischen Vorsprungs der Koreanischen Volksarmee".

Eigentlich ist es erstaunlich, dass Nordkorea schon wieder solche Ansagen macht. Sechs Wochen ist es schließlich erst her, dass Pjöngjang seinen ersten Corona-Toten sowie Hunderttausende von Fieberfällen meldete. Die internationale Gemeinschaft machte sich Sorgen, weil Nordkoreas Gesundheitssystem schlecht ist. Ein umfassendes Impfprogramm für die 25 Millionen Menschen im Land gab es nie.

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Und weil sich das Regime wegen Corona seit Anfang 2020 gegen jede Hilfe aus dem nicht chinesischen Ausland abschottet und zudem Unwetter zu Ernteausfällen führten, sind viele Einheimische unterernährt und umso anfälliger für die Lungenkrankheit Covid-19. Eine humanitäre Notlage schien zu drohen - zumal ein landesweiter Lockdown angesagt war, und Nordkorea nicht über die Logistik verfügt, so viele Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten zu beliefern.

Mittlerweile verbreitet Pjöngjang keine Krisenstimmung mehr. Im Gegenteil: Die Staatsmedien beschreiben die Pandemie gerade wie eine Prüfung, welche den Fortschritt und die Umsicht des Kim-Jong-un-Regimes erst so richtig zur Geltung bringe. "Die Arbeiten zur Konsolidierung der materiellen und technischen Grundlagen zur Seuchenbekämpfung (...) werden in der gesamten Demokratischen Volksrepublik Korea in jeder Hinsicht vorangetrieben", berichtete am Freitag zum Beispiel die Nachrichtenagentur KCNA. Außerdem meldete sie, bis Donnerstag, 18 Uhr, habe die staatliche Notfallzentrale zur Epidemie-Vorbeugung insgesamt 4 696 580 Menschen mit Fieber gezählt - von denen schon mehr als 4 676 760 (99,578 Prozent) genesen seien. Demnach hat es funktioniert, die Medikamenten-Produktion anzuwerfen, eine ganze Armee aus Helfern loszuschicken, um Menschen zu versorgen, und über die Staatsmedien Gesundheitstipps unter anderem zur Anwendung von Schmerzmitteln zu verbreiten.

Bei der WHO steht Nordkorea noch bei null Corona-Infektionen

Aber ob das so stimmt? Unwahrscheinlich. Niemand von außen hat Einblicke in die genauen Gesundheitsdaten Nordkoreas. Auf der Coronavirus-Weltkarte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht das Land immer noch bei null Fällen. Die Regierung von Kim Jong-un gibt einfach keine belastbaren Informationen weiter. Angebote zur Hilfe beim Impfschutz hat sie bisher auch ausgeschlagen. Und die Erfahrung aus der pandemischen Zeit hat gelehrt, dass nordkoreanische Anti-Corona-Empfehlungen wie positiv denken, Tee trinken, Paracetamol oder gar Antibiotika nehmen keinen nachhaltigen Infektionsschutz bieten. Michael Ryan, Leiter der Notfallprogramme bei der WHO, sagte Anfang Juni bei einem Informationstermin: "Wir nehmen an, dass die Situation eher schlechter wird."

Das könnte auch erklären, warum Nordkorea nicht längst den Atombombentest ausgeführt hat, den die Geheimdienste in den USA und Südkorea seit Wochen jeden Tag erwarten. Trotzdem muss Kim Jong-un zusehen, dass er nicht aus der Rolle fällt. Die jüngste Sitzung der Militärkommission sollte allen Betrachtern zeigen, dass Nordkorea trotz allem weiter am militärischen Tagesgeschäft arbeitet. Das muss aus ihrer Sicht wohl auch sein, denn der Ton auf der koreanischen Halbinsel ist rauer geworden, seit im Mai in Seoul der Präsident gewechselt hat.

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Statt des sanften Moon Jae-in von der Demokratischen Partei regiert nun Yoon Suk-yeol von der konservativen PPP. Der ist ein Verfechter der Abschreckung, und sein Personal tritt entsprechend auf. Am Donnerstag empfahl Eom Dong-hwan, der neue Chef der Waffenbeschaffungsbehörde, Südkorea so schwer zu bewaffnen, dass man "eine verzweifelte und vernichtende Niederlage für ausländische Invasionskräfte" wie die von Kim Jong-un sicherstellen könne. Davor war bekannt geworden, dass Kim Jong-un und die Militär-Kommission am zweiten Tag ihres Treffens darüber gesprochen hatten, die Operationen der Militäreinheiten "an der Frontlinie zu verbessern". Zumindest in dieser Hinsicht sind sich die beiden Koreas also gerade einig: Sie wollen beide mehr Waffen.

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