Anfang des Jahres sah es noch so aus, als könne sich etwas bewegen beim Thema nukleare Abrüstung. Die fünf offiziellen Atommächte, zugleich permanente Mitglieder im UN-Sicherheitsrat, veröffentlichen eine gemeinsame Erklärung, in der sie bekräftigten, ein Atomkrieg dürfe nie geführt und könne nicht gewonnen werden. Die USA und Russland hatten im Jahr zuvor schon den New-Start-Vertrag zur Begrenzung strategischer Kernwaffen verlängert und Gespräche aufgenommen, mit denen sie die Möglichkeiten für ein neues Rüstungskontrollabkommen ausloten wollten. Davon ist seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wenig geblieben.
So mussten am Donnerstag mehr als 80 Staaten in Wien eine Konferenz für die Abschaffung und Ächtung aller Atomwaffen vor dem Hintergrund expliziter Drohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin beschließen, diese gegen seine Gegner einzusetzen. Allerdings stand der Krieg gegen die Ukraine ebenso wenig im Fokus des ersten Treffens jener Staaten, die den Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) unterschrieben haben, wie die schleichend eskalierende Nuklearkrise mit Iran oder Nordkoreas Vorbereitungen, die auf einen baldigen Atomtest hindeuten.
Zum Auftakt hatte UN-Generalsekretär António Guterres in einer Videobotschaft gewarnt, die weltweit insgesamt 13 000 Sprengköpfe seien angesichts einer Welt voller Konflikte und Misstrauen ein Rezept für die mögliche Vernichtung des Planeten. "Wir müssen diese Waffen vernichten, bevor sie uns vernichten", verlangte er. Der Verbotsvertrag war im Januar 2021 in Kraft getreten, 65 Länder haben ihn ratifiziert, 86 Staaten unterzeichnet, überwiegend aus dem globalen Süden. Er verbietet unter anderem den Einsatz, Besitz und Transit, die Lagerung und Stationierung von Atomwaffen.
Die Bundesregierung bleibt dabei: Deutschland wird den Vertrag nicht unterzeichnen
Der Präsident des Komitees vom Internationalen Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, bezeichnete den Vertrag als "Meilenstein". Er bewirke, dass Atomwaffen nicht mehr nur aus sicherheitspolitischer Perspektive gesehen, sondern ihre humanitären Auswirkungen insgesamt betrachtet würden, sagte Maurer. Die Folgen von Atomtests für Mensch und Umwelt nahmen bei der Konferenz breiten Raum ein.
Die Bundesregierung nahm, wie im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vereinbart, als Beobachterin teil und entsandte dazu einen hochrangigen Diplomaten des Auswärtigen Amtes. Die Ampelkoalition teilt zwar das Zeil der universellen nuklearen Abrüstung, hält aber zugleich an der nuklearen Teilhabe in der Nato fest. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat jüngst die Beschaffung von F-35-Tarnkappenjets aus den USA angekündigt, die bei der Bundeswehr die veralteten Tornados als Kernwaffenträger ablösen sollen.
Das Prinzip der nuklearen Abschreckung hat durch den russischen Angriff auf die Ukraine wieder erheblich an Bedeutung gewonnen. Im Zuge der sogenannten erweiterten Abschreckung lagern die USA in Europa eine zweistellige Zahl von Atomwaffen, die im Ernstfall durch Kampfjets von Nato-Partnern wie Deutschland abgeworfen werden würden. Die Kommandogewalt über die Bomben liegt aber uneingeschränkt beim US-Präsidenten. Als Beobachter zugegen waren auch die Nato-Staaten Belgien, Norwegen und die Niederlande sowie Schweden und Finnland, die einen Beitritt zur Allianz anstreben.
Die Mitglieder des Verbotsvertrags verweisen darauf, dass die offiziellen Atommächte ihrer Verpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag zur nuklearen Abrüstung nicht nachkämen; deswegen sei der Verbotsvertrag notwendig. Deutschland lehnte einen Beitritt ab und sieht im Sperrvertrag als weit umfassenderem Abkommen eine zentrale Säule der internationalen Ordnung. Die Bundesregierung versucht aber, zwischen den Staaten des Verbotsvertrages und solchen, die ihn ablehnen, Gemeinsamkeiten und von beiden Seiten geteilte Perspektiven zu entwickeln, etwa mit Blick auf die im August bevorstehende Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag bei den Vereinten Nationen in New York.