Landtagswahl in Niedersachsen:Im Zeichen der Krise

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Wahlkampf am Wurststand: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) verteilt Rosen auf dem Markt in Osnabrück. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Die steigenden Energiepreise sind das Thema Nummer eins bei der Landtagswahl in Niedersachsen. In den Umfragen liegt die regierende SPD vorn. Und die FDP hat ein Problem.

Von Peter Fahrenholz, München

Am Samstag hat auch die CDU als letzte der großen Parteien mit einer Auftaktveranstaltung in Osnabrück die heiße Phase des Landtagswahlkampfs in Niedersachsen eingeläutet. Die Wahl findet am 9. Oktober statt. Es ist nach dem Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die letzte Landtagswahl in diesem Jahr, und sie steht in mehrfacher Hinsicht unter ganz besonderen Vorzeichen.

Denn zum einen ist es eine Wahl, bei der landespolitische Themen nahezu völlig in den Hintergrund gedrängt werden. Das alles beherrschende Thema ist die Energiekrise als Folge des Krieges in der Ukraine und die Frage, wie die Bürger angesichts explodierender Preise entlastet werden können. Und Niedersachsen ist das Land, das beim Energiethema eine besondere Rolle spielt.

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In Niedersachsen befindet sich der größte deutsche Gasspeicher, und in Wilhelmshaven entsteht in Rekordzeit ein großes Flüssiggasterminal, das von entscheidender Bedeutung ist, um sich vom russischen Gas unabhängig zu machen. In Niedersachsen gibt es nicht nur die meisten Windräder, sondern auch die größten Erdgasvorkommen, über die Deutschland selbst verfügt. Und die schwelende Debatte um die Laufzeitverlängerung für die drei letzten Atomkraftwerke könnte in dem Land, das eine der Keimzellen der Anti-AKW-Bewegung ist, in der Endphase des Wahlkampfs noch mal besonderen Zündstoff bergen.

Zum anderen hat die Wahl auch bundespolitische Bedeutung, und die drei Ampelparteien könnten davon ganz unterschiedlich betroffen sein. Für die SPD hat sich die Hoffnung nicht erfüllt, nach dem Sieg bei der Bundestagswahl auch in den Ländern eine Siegesserie zu starten. Zwar haben die Sozialdemokraten im März im Saarland klar gewonnen und mit Anke Rehlinger die Staatskanzlei erobert, aber es war halt nur das kleine Saarland.

Die SPD setzt auf den Amtsbonus ihres Ministerpräsidenten

In Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen hat dagegen die CDU klar gewonnen (was den neuen CDU-Parteichef Friedrich Merz entscheidend stabilisiert hat) und schlimmer noch für die SPD, in beiden Länder gibt es nun eine schwarz-grüne Landesregierung, was aus Sicht der SPD ein Menetekel für künftige Koalitionen auf Bundesebene sein könnte. Die SPD hofft deshalb in Niedersachsen auf eine Trendwende und setzt dabei auf den Amtsbonus ihres Ministerpräsidenten Stephan Weil. Wie wichtig dieser Amtsbonus ist, hat sich, mit Ausnahme des Saarlandes, bei allen Landtagswahlen in diesem und im vergangenen Jahr gezeigt.

Die Grünen wiederum setzen darauf, dass der Aufwind, in dem sie sich seit der Bundestagswahl befinden, anhalten wird, während die FDP versuchen muss, ihre Horrorserie bei den Landtagswahlen zu stoppen. Im Saarland waren die Liberalen ganz aus dem Landtag geflogen, in Schleswig-Holstein und NRW wurden sie für eine Regierungsmehrheit nicht mehr gebraucht. Die CDU wiederum als größte Oppositionspartei in Berlin würde gerne ihre Siegesserie bei den Landtagswahlen fortsetzen und damit die Ampelkoalition weiter unter Druck setzen.

CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann zeigt sich offen für eine Neuauflage der großen Koalition, natürlich unter seiner Führung. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Doch das könnte schwierig werden. Schon vor der Sommerpause lag die SPD in allen Umfragen vorn und daran hat sich auch seither nichts geändert, trotz der öffentlichen Diskussion über die handwerklichen Fehler der Ampel bei den ersten beiden Entlastungspaketen. In den drei aktuellen Umfragen der Institute Insa, Forsa und Infratest Dimap werden der SPD zwischen 29 und 31 Prozent prophezeit, sie rangiert damit vor der CDU, die zwischen 26 und 28 Prozent liegt.

Drittstärkste Kraft würden demnach die Grünen werden, mit weitem Abstand vor den übrigen Parteien. Sie konnten in den Umfragen seit dem Frühjahr weiter zulegen und können mit einem Ergebnis zwischen 19 und 22 Prozent rechnen. Sollte es am Ende tatsächlich so kommen, wären die Grünen der große Gewinner der Wahl, denn vor fünf Jahren hatten sie in Niedersachsen lediglich 8,7 Prozent erreicht. Die FDP liegt in den Umfragen zwischen sechs und sieben Prozent und muss fürchten, damit hinter der AfD zu landen, die auf sieben bis acht Prozent kommt. Kaum eine Chance auf den Einzug in den Landtag dürfte die Linke haben, die in den Umfragen bei drei bis vier Prozent dümpelt.

Sollte es am Wahlabend nur zu geringfügigen Verschiebungen kommen, wird aber nicht entscheidend sein, wer am Ende die Nase knapp vorne hat. Sondern, welche Koalition am wahrscheinlichsten ist. Nach Lage der Dinge gibt es drei Konstellationen, die jeweils auf eine klare Mehrheit kommen. Rot-Schwarz (oder Schwarz-Rot, je nachdem), Rot-Grün und Schwarz-Grün.

Für die FDP wird es bitter

Dass die große Koalition zwischen SPD und CDU fortgesetzt wird, ist der unwahrscheinlichste Fall, obwohl sie weit reibungsloser zusammengearbeitet hat, als man vor fünf Jahren befürchten musste. Denn sie war ein Notbehelf, ein "Bündnis aus uralter Zeit", wie die SZ damals schrieb. Die letzte große Koalition in Hannover war 1970 zerbrochen, seither standen sich CDU und SPD dort in so erbitterter Gegnerschaft gegenüber wie in kaum einem anderen Bundesland. Doch weil sich die FDP einer Ampel verweigerte und die Grünen Jamaika ablehnten, blieb SPD und CDU nichts anderes übrig, als sich nolens volens zusammenzutun.

CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann zeigt sich offen für eine Neuauflage, natürlich unter seiner Führung. Doch SPD-Ministerpräsident Stephan Weil steuert ganz klar auf Rot-Grün zu. Auch Grünen-Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg betont immer wieder die großen Schnittmengen mit der SPD, fügt aber gern hinzu, dass es trotzdem keinen Automatismus gebe, was die CDU hoffen lässt, die Grünen doch noch für Schwarz-Grün zu gewinnen.

Doch egal, welche Konstellation am Ende herauskommt - für einen Berliner Ampelpartner wäre es ganz bitter: Die FDP muss fürchten, dass sie künftig zum Regieren nur noch in Ausnahmefällen gebraucht wird.

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