Rumänien:Konkurrenzkampf bei der Nato

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Klaus Iohannis wäre der erste Vertreter eines früheren Warschauer-Pakt-Staates auf dem Posten des Nato-Generalsekretärs. (Foto: Kenzo Tribouillard /AFP)

Rumäniens scheidender Präsident Iohannis kündigt überraschend an, dass er Generalsekretär des Militärbündnisses werden will. Bisher galt der niederländische Ministerpräsident Rutte als Favorit - die Wahl muss einstimmig erfolgen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Ein öffentlicher Wettstreit um den Posten des Generalsekretärs ist in der Nato eigentlich nicht vorgesehen. Doch der rumänische Präsident Klaus Iohannis, der nach zwei Amtsperioden bei der Präsidentschaftswahl im September nicht mehr als Staatschef antreten darf, hat am Dienstagnachmittag bekannt gegeben, dass er in Konkurrenz zum Niederländer Mark Rutte treten will. Der war bislang als chancenreichster Nachfolger von Jens Stoltenberg gehandelt worden.

Iohannis hat seinen Schritt ganz offensichtlich gut geplant. Bereits am 22. Februar hatte Rumänien den Nato-Verbündeten mitgeteilt, dass der liberale Politiker vorhabe, sich nominieren zu lassen; so berichtet es das Onlinemedium G4Media. Und eine halbe Stunde, nachdem der 64-Jährige am Dienstag auf einer Pressekonferenz seine Kandidatur bekannt gegeben hatte, wurde auf der Website Politico bereits seine "Version für die Zukunft der Nato" veröffentlicht.

Darin legt Iohannis einen Mehrpunkteplan vor. Er sieht die Stärkung von Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten, die Intensivierung der Zusammenarbeit unter den Nato-Partnern sowie eine bessere Krisenprävention, eine konsequente Unterstützung der Ukraine und einen Ausbau der gemeinsamen Waffenproduktion vor. Seine Kandidatur hatte der Rumäne zuvor mit seinen Erfahrungen als Präsident und dem "tiefen Verständnis der Herausforderungen, denen sich die Nato, Europa und insbesondere unsere Region gegenübersehen" begründet. Er wäre der erste Osteuropäer auf dem Posten.

Viele Rumänen begrüßen die Kandidatur des Noch-Präsidenten

In Rumänien selbst trifft die Ankündigung von Iohannis, auf den prestigereichen Posten in Brüssel wechseln zu wollen, auf wenig Erstaunen. In den vergangenen Monaten zirkulierten bereits zahlreiche Gerüchte in Bukarest, dass er - nach der vorgezogenen Präsidentschaftswahl - ein neues Betätigungsfeld suche. Auch ein Interesse an der Präsidentschaft der EU-Kommission und die Gründung einer neuen Partei waren diskutiert worden.

Dass Iohannis, der aus einer Familie von Siebenbürger Sachsen stammt und sich selbst als "ethnischen Deutschen und rumänischen Staatsbürger" bezeichnet, sich nun in der Nato engagieren will, wird in Bukarest ebenfalls als naheliegend betrachtet. Immerhin, sagt etwa der Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bukarest, Raimar Wagner, könne Rumänien mit 2,5 Prozent Verteidigungsbudget im Haushalt, einer intensiven, sowohl militärischen als auch logistischen Unterstützung für die Ukraine sowie einer klaren Positionierung gegen Moskau punkten.

In der Öffentlichkeit hatte der Präsident zuletzt an Zustimmung verloren, er galt als unengagiert und zunehmend abgehoben. Sein Interesse für das Amt des Nato-Generalsekretärs wird hingegen begrüßt. Sein Vorgänger, Ex-Präsident Traian Băsescu, machte sich zwar lustig darüber, dass in der Nato nun offenbar ein "Konkurrenzkampf" um den Chefposten ausgebrochen sei. Er sagte dem Nachrichtensender Digi24 aber auch, es sei gut, wenn der Niederländer Mark Rutte verhindert werde. Dieser verachte Rumänien.

Orbán und Erdoğan wollen sich wohl auch gegen Rutte aussprechen

Die Wahl des Nato-Generalsekretärs erfolgt einstimmig. Vor zwei Wochen hatte sich allerdings der notorische Quertreiber Viktor Orbán bereits gegen Rutte ausgesprochen: Man könne keine Person unterstützen, die Ungarn in die Knie zwingen wolle. Der Niederländer hatte sich in der Frage blockierter EU-Gelder stark engagiert, die Ungarn wegen dessen schlechter Rechtsstaatsbilanz vorenthalten werden. In Bukarest ist jetzt zu hören, auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan werde sich wohl gegen Rutte - und womöglich für Iohannis - aussprechen. Eine weitere mögliche Kandidatin, die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas, galt zuletzt als eher chancenlos.

Rumänien ist seit 20 Jahren Nato-Mitglied. Nachdem das Interesse von Iohannis am Wechsel nach Brüssel in Bukarest lange eher belächelt worden war, gilt sein Erfolg mittlerweile auch in der Bukarester Regierungskoalition von Nationalliberalen und Sozialdemokraten als wünschenswert.

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