Nahverkehr:Länder warnen vor Ticketpreisen, die "durch die Decke schießen"

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Eine S-Bahn in München, fotografiert an der Hackerbrücke. (Foto: Stephan Rumpf)

Bus und Bahn sollen im Sommer nur neun Euro im Monat kosten. Und danach? Könnte der Nahverkehr richtig teuer werden, prophezeien die Länder. Sie fordern vom Bund mehr Geld.

Von Markus Balser, Berlin

Im heftigen Streit um die Finanzierung des Nahverkehrs warnen die Bundesländer eindringlich vor steigenden Ticketpreisen in Deutschland ab Herbst. Weil Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zugesagte Finanzhilfen von 1,5 Milliarden Euro für die Branche wieder gestrichen habe, drohten auf breiter Front steigende Tarife, erklärten die Verkehrsminister am Donnerstag nach einer Konferenz der Länder. Ticketpreise und Takte seien nur zu halten, wenn das Geld des Bundes doch noch fließt, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Andernfalls könnten die Preise "durch die Decke schießen".

Der Streit um die Finanzen überschattet den geplanten Start der größten Rabattaktion im Nahverkehr seit Jahrzehnten. Das Neun-Euro-Ticket, mit dem die Deutschen drei Monate bundesweit und unbegrenzt den Nahverkehr nutzen können, soll nach bisherigen Plänen bereits im Juni starten. Es ist als Ausgleich für höhere Energiekosten gedacht und soll den Deutschen einen Anreiz liefern, langfristig vom Auto auf den Nahverkehr umzusteigen. Doch der Unmut der Länder über den Sparkurs des Bundes wächst parteiübergreifend.

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Nordrhein-Westfalens Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU) sprach am Donnerstag angesichts der drohenden Finanzlücke im ÖPNV und mit Blick auf das Neun-Euro-Ticket von einem "Strohfeuer" statt einem "Leuchtturm". Die saarländische Verkehrsministerin Petra Berg (SPD) warnte, die Verkehrsbetriebe würden nach Ende der Aktion "an der Abbruchkante stehen". Man könne die Passagiere nicht drei Monate auf den Geschmack bringen und dann Qualität und Preis nicht halten, warnte auch die Vorsitzende der Länder-Verkehrsministerkonferenz, Bremens Senatorin Maike Schaefer (Grüne). Die von der Regierung geplante Verdopplung der Passagiere für den Klimaschutz bis 2030 sei unter diesen Umständen nicht möglich.

Die Länder wollen mehr Geld - und verweisen auf den Koalitionsvertrag

Die Länder könnten den Streit mit dem Bund nun schon in Kürze weiter verschärfen und das Finanzpaket in zwei Wochen im Bundesrat platzen lassen. Allerdings würde das den pünktlichen Start des Neun-Euro-Tickets gefährden. Denn auch die Mittel für dieses Projekt sind in dem Paket enthalten. Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann sowie Bremens Senatorin Schaefer machten deutlich, dass die Länder nun auf die Ampelfraktionen in Berlin setzen. Hermann sagte, es müsse ein Vorschlag vorgelegt werden, dem der Bundesrat "begeistert" zustimme. Die Länder erwarten, dass der Bund seine Finanzmittel aufstockt.

Ausgelöst hatte den Streit Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Der ist zwar bereit, die erwarteten Einnahme-Ausfälle von 2,5 Milliarden Euro für die Rabattaktion zu tragen. Die Länder verlangen aber wegen gestiegener Personal- und Spritkosten und für den vorgesehenen Ausbau des Nahverkehrs zusätzlich 1,5 Milliarden Euro noch in diesem Jahr. Sie verweisen dabei auf den Koalitionsvertrag, in dem eine entsprechende Aufstockung verankert sei. Mehr Geld für mehr Züge sei auch nötig, um die Menschen nach Ablauf der drei Monate weiter an den Nahverkehr zu binden, erklärte die Verkehrsministerkonferenz.

Wissing zeigte sich grundsätzlich zwar offen für mehr Geld, verlangt aber mehr Transparenz bei den Ausgaben der Länder. Er ließ offen, ob eine Aufstockung der Mittel angesichts der angespannten Haushaltslage dieses Jahr überhaupt noch möglich wäre. Der Bund unterstützt die Länder derzeit mit jährlich rund zehn Milliarden Euro für Pendlerzüge, Busse oder Straßenbahnen.

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