Nahverkehr:Mit Rabatt in die Krise

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Ein Kurzschluss hat die S-Bahn-Stammstrecke in München am Montag stundenlang lahmgelegt. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Neun-Euro-Ticket soll die Deutschen zum Umstieg auf Bus und Bahn bewegen. Doch so, wie die Bundesregierung das Projekt finanziert, wird das nichts.

Kommentar von Markus Balser

Das wohl größte Verkehrsexperiment der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland soll eigentlich zum strahlenden Werbeblock für den Nahverkehr werden. Für fast schon symbolische neun Euro im Monat können die Deutschen von Juni an Busse und Bahnen im Nahverkehr nutzen - ein Vierteljahr lang. Die Rabattaktion soll die Bürger wenigstens etwas von den hohen Energiepreisen entlasten und ihnen im großen Stil Lust machen, dauerhaft auf den ÖPNV umzusteigen.

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Doch die Imageaktion droht nach hinten loszugehen. Denn immer klarer zeichnet sich ab: Die 2,5 Milliarden Euro, die die Bundesregierung in die Kurzfrist-Rabatte steckt, fehlen nun an anderer Stelle. Wegen der angespannten Haushaltslage stoppt Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) eigentlich geplante Finanzhilfen für den Nahverkehr zum Ausgleich höherer Energiekosten und zum Ausbau des Systems.

Die Folgen dieses Sparkurses reichen weit: Denn die Milliardenlücke würde die Rabattaktion im Nahverkehr schnell ad absurdum führen. Der Freude über günstiges Reisen im Sommer dürfte bei den Passagieren Ernüchterung im Herbst folgen. Viele Nahverkehrsbetriebe müssten dann ihre Preise deutlich erhöhen oder ihr Angebot ausdünnen, um über die Runden zu kommen. Dass die Rabattaktion so wirklich langfristig den Umstieg vom Auto auf die Bahn befördern kann, wird auch im Bundesverkehrsministerium niemand ernsthaft glauben. Dabei wäre genau das dringend nötig. Schon bis Ende des Jahrzehnts sollen laut Bundesregierung doppelt so viele Deutsche in Busse und Bahnen einsteigen wie heute. Nur mit diesem rasanten Ausbau des Nahverkehrs lassen sich die Klimaziele der Regierung erreichen.

Der Aufbruch in die Verkehrswende aber droht zu misslingen. Das Neun-Euro-Ticket kann zwar für viele Deutsche zum Sommerspaß werden. Doch die Chance auf einen langfristigen Umstieg verspielt die Bundesregierung mit kurzsichtiger Politik.

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