Nahostkonflikt:Propalästinensische Parole verboten

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Pro-Palästina-Demonstration in München: Manche Äußerungen auf solchen Kundgebungen sind offen antisemitisch. Andere können so verstanden werden. (Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago)

"From the river to the sea": Das Bundesinnenministerium stuft dieses Motto als Kennzeichen der Hamas ein. Deshalb will Bayerns Staatsanwaltschaft es so scharf ahnden wie SS-Sprüche oder das Hakenkreuz.

Von Ronen Steinke, Berlin

Einer der wichtigsten Slogans der weltweiten propalästinensischen Demonstrationen könnte in Deutschland künftig als Straftat gewertet und ähnlich scharf verfolgt werden wie bislang das Hakenkreuz oder andere nazistische Symbole. Es geht um den Satz "From the river to the sea, Palestine will be free". Der Slogan bedeutet, Palästina solle "frei sein", und zwar vom Fluss Jordan bis hin zum Mittelmeer - also auf dem gesamten Gebiet, auf dem heute auch der Staat Israel existiert.

Bislang werteten Staatsanwaltschaften in Deutschland diesen Satz als legitim. Er sei grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. In Berlin, aber auch in München und anderen Städten hatte dies jüngst die Staatsanwaltschaft erklärt. Eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung komme erst dann in Betracht, wenn eine Aussage eindeutig zu Gewalt aufstachelt. Der Satz "From the river ..." tue das aber nicht per se. Denn wer sich wünsche, dass Palästina "frei" werde, der rufe damit nicht zwingend zu Gewalt gegen Israelis auf, sondern könnte zum Beispiel auch eine friedliche Änderung des Status quo meinen.

"Für uns bedeutet das eine neue juristische Klarheit"

Aber nun ist die Staatsanwaltschaft in München auf eine neue Vorgabe des Bundesinnenministeriums aufmerksam geworden. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am vergangenen Donnerstag ein Vereinsverbot gegen die radikalislamische Hamas verhängt. Die Verbotsverfügung, die fünf Seiten umfasst und im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist, listet "Kennzeichen" der Hamas wie beispielsweise Logos und Schriftzüge auf, deren öffentliche Verwendung von nun an verboten sei. Ganz am Ende dieser Liste steht auch: "Die Parole 'Vom Fluss bis zum Meer' (auf Deutsch oder anderen Sprachen)."

"Das müssen wir als eine klare Ansage interpretieren", sagt der Münchner Oberstaatsanwalt Andreas Franck, der auch Antisemitismusbeauftragter der bayerischen Justiz ist. Wer Propagandamittel von verbotenen Organisationen öffentlich verwende, der werde nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs belangt. Diese Strafbarkeit, die bislang zum Beispiel schon für SS-Parolen wie "Unsere Ehre heißt Treue" gilt, gelte nun auch für "From the river to the sea, Palestine will be free". "Für uns bedeutet das eine neue juristische Klarheit", so Franck. Die bayerische Staatsanwaltschaft werde entsprechend konsequent handeln.

Der Satz "From the river to the sea ..." wurde schon in den 1960er-Jahren von der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO von Jassir Arafat verwendet, auch heute greifen unterschiedliche palästinensische Gruppen auf ihn zurück, auch die 1987 gegründete Hamas. In der jüngsten Charta der Hamas von 2017 heißt es, man bestehe auf eine "vollständige Befreiung Palästinas, vom Fluss bis zum Meer". Der palästinensisch-amerikanische Schriftsteller Yousef Munayyer argumentierte indes 2021, dass viele Menschen mit der Parole weiterhin den Wunsch verbänden, dass "Palästinenser in ihrer Heimat als freie und gleiche Bürger leben können, die weder von anderen beherrscht werden noch andere beherrschen".

Auch bestimmte Stirnbänder und Flaggen dürfen nicht mehr verwendet werden

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte erst im August entschieden, dass die Parole deshalb für sich genommen nicht strafbar sei. In dem Fall war es um die Legalität einer pro-palästinensischen Demonstration gegangen. Die Deutung, dass mit dieser Parole ganz allgemein Freiheit und Gleichberechtigung in dem bezeichneten Gebiet gefordert werde, sei nicht ausgeschlossen, so das Gericht.

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In der aktuellen Verbotsverfügung des Innenministeriums werden nun auch die typischen grünen Stirnbänder der Hamas aufgelistet, auf denen in weißer Schrift teils "Ritter der Kassam-Brigaden" steht - so nennt sich der militante Arm der Gruppe -, teils aber auch lediglich das islamische Glaubensbekenntnis: "Es gibt keinen Gott außer Gott, Muhammad ist der Gesandte Gottes."

Auch die von der Hamas häufig genutzte Flagge, die das Glaubensbekenntnis auf grünem Grund zeigt, darf der Verbotsverfügung zufolge nicht mehr "öffentlich, in einer Versammlung" oder etwa in sozialen Medien gezeigt werden. "Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wird angeordnet."

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