Konflikt zwischen Israel und Iran:Von Entspannung keine Spur

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Rauchwolken über dem libanesischen Dorf Kfarchouba: Im Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon ist es zu einer bewaffneten Konfrontation gekommen. (Foto: Mahmoud Zayyat/AFP)

Es war nur ein Scharmützel an der Grenze Israels zu Libanon - doch das Feuergefecht zwischen der von Iran unterstützten Schiiten-Miliz und der israelischen Armee verweist auf eine größere Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran.

Von Paul-Anton Krüger und Peter Münch, Tel Aviv/München

Es ist ein kurzes Gefecht gewesen - mit einem langen und dröhnenden Nachhall: "Die Hisbollah spielt mit dem Feuer", warnte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, nachdem es am Montagnachmittag im Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon zu einer bewaffneten Konfrontation gekommen war.

Zwar meldeten weder die von Iran unterstützte Schiiten-Miliz noch die israelische Armee hinterher Verletzte oder Tote, doch in der Region wächst die Sorge. Libanons Premierminister Hassan Diab rief zur Vorsicht, weil "ich fürchte, dass die Dinge ins Schlimmste abgleiten angesichts der hohen Spannungen an der Grenze".

Denn das Scharmützel verweist auf eine weit größere Auseinandersetzung, in die Israel mit Iran und dessen Verbündeten in Libanon und Syrien verstrickt ist. Der jüngste Zwischenfall auf den von Israel annektierten Golanhöhen wird als Reaktion der Hisbollah auf einen Israel zugeschriebenen Luftangriff in der Nähe von Damaskus eine Woche zuvor gewertet. Dabei war offenbar neben mehreren syrischen und iranischen Kämpfern auch ein ranghohes Mitglied der Hisbollah getötet worden.

"Gleichgewicht der Abschreckung"

Als die in den Achtzigerjahren von den iranischen Revolutionsgarden in der Bekaa-Ebene gegründete Organisation offiziell den Tod von Ali Kamel Mohsen bekannt gab, war klar, dass darauf Vergeltung folgen soll. Schließlich hatte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah die Losung vom "Gleichgewicht der Abschreckung" ausgegeben.

2015 zum Beispiel waren nach dem Tod von Hisbollah-Kämpfern zwei israelische Soldaten im Grenzgebiet beim Beschuss ihres Fahrzeugs mit einer Panzerabwehrrakete gestorben. Israel hat deshalb in den vergangenen Tagen seine Streitkräfte an der Nordgrenze verstärkt. Am Sonntag war Verteidigungsminister Benny Gantz zu einer Lagebesprechung mit führenden Generälen in die Grenzregion geeilt.

Als überdies Ende voriger Woche überraschend US-Generalstabschef Mark Milley in Israel landete, befeuerte dies Spekulationen, dass größere Aktionen bevorstehen könnten. Schließlich war Milley, so berichteten israelische Medien, zuletzt unmittelbar vor der Tötung des iranischen Generals Qassim Soleimani im Januar durch eine US-Drohne am Flughafen von Bagdad in Israel gewesen. Israel signalisierte zugleich aber, kein Interesse an einer Eskalation zu haben. Und auch Nasrallahs Stellvertreter, Scheich Naïm Qassem, sagte am Sonntag dem Hisbollah-Sender Al-Mayadin, er schließe einen Krieg mit Israel aus.

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Ungeachtet dessen kam es am Montagnachmittag zu dem Grenzzwischenfall. Die Bewohner der Region wurden sofort aufgefordert, ihre Häuser nicht zu verlassen. Laut der israelischen Armee hatte ein bewaffnetes Hisbollah-Kommando mit drei bis fünf Kämpfern bei Har Dov, auch als Shebaa-Farmen bekannt, die sogenannte Blaue Linie überschritten, die De-facto-Grenze zwischen Libanon und Israel. Sie seien sofort gesichtet und unter Beschuss genommen worden und hätten deshalb den Rückzug angetreten, hieß es. Die Botschaft: Der Angriff wurde abgewehrt.

Unterschiedliche Darstellungen des Vorfalls

Die Hisbollah stellt den Vorfall anders dar. Zunächst berichtete Al-Mayadin, dass eine Panzerabwehrrakete auf ein israelisches Militärfahrzeug gefeuert worden sei. Später bestritt die Hisbollah, dass es überhaupt zu einer Auseinandersetzung gekommen sei. Israel versuche, "einen falschen Sieg zu verkünden" und zeige nur die "extreme Angst" vor einer Vergeltung . Diese Vergeltung, so drohte die Hisbollah, werde aber "definitiv noch kommen".

Von Entspannung also keine Spur. Israels Premier Netanjahu machte sich am Dienstag persönlich zur Nordgrenze auf und verband dies mit einer weitreichenden Warnung. Er warf Hisbollah-Chef Nasrallah vor, auf dem Rücken des libanesischen Staats iranischen Interessen zu dienen. "Alles, was hier passiert, ist das Ergebnis des iranischen Versuchs, an unseren Grenzen militärisch Fuß zu fassen", sagte er. Niemand solle Israel herausfordern. "Wir sind auf jedes Szenario vorbereitet."

Israel hat seit Kriegseintritt der Hisbollah in Syrien im Jahr 2012 Hunderte Luftangriffe auf Ziele in Syrien geflogen - acht Attacken alleine in den vergangenen zwei Monaten. Sie richten sich meist gegen Einrichtungen der iranischen Revolutionsgarden, deren dauerhafte Präsenz im Nachbarland Israel als existenzielle Bedrohung betrachtet.

Iran sieht dagegen seine Präsenz in Syrien als "strategische Tiefe" im Kampf der Hisbollah gegen Israel. Mithilfe schiitischer Milizen hat Teheran versucht, eine Landbrücke von Iran über Irak und Syrien nach Libanon zu schlagen und der Hisbollah direkte Nachschubwege zu eröffnen. Jüngst vereinbarten Iran und das Assad-Regime, Syriens Luftabwehr zu stärken.

Die Hisbollah und Iran sind allerdings ungeachtet militärischer Erfolge in Syrien geschwächt. Libanon steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1990; viele Libanesen machen die Hisbollah dafür mitverantwortlich, die zwar nur 13 der 128 Parlamentssitze hält, de facto aber die Regierung kontrolliert. Zugleich erhält die Miliz nicht mehr die Summen, die Teheran noch vor wenigen Jahren überwies.

Iran leidet selbst unter den scharfen unilateralen US-Sanktionen, dem Verfall der Ölpreise und der Corona-Epidemie, demonstriert aber zugleich Entschlossenheit. Im Zuge eines Großmanövers beschossen Hubschrauber der Revolutionsgarden in der Straße von Hormus die Attrappe eines US-Flugzeugträgers mit Raketen.

© SZ vom 29.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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