Nach den Pariser Anschlägen:Brüssel - sicherer Hafen für Dschihadisten

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Szene aus dem Brüsseler Vorort Molenbeek, aus dem mehrere der Attentäter von Paris stammen sollen. (Foto: AFP)

Terrorwarnstufe erhöht, Länderspiel abgesagt: Belgien ist in Aufruhr. Mehrere Attentäter von Paris kamen aus einer Brüsseler Stadtgemeinde. Die Nachbarländer klagen, Belgien habe die Sache nicht im Griff.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Der Terror hält nicht nur Frankreich, sondern nun auch Belgien fest im Griff. Nach den Anschlägen von Paris sagte der belgische Fußball-Verband am späten Montagabend das Freundschaftsspiel seiner Nationalmannschaft gegen Spanien ab. Die Partie sollte am Dienstagabend im Brüsseler König-Baudouin-Stadion stattfinden. Damit reagierte der Verband auf die Anhebung der Terrorwarnstufe in ganz Belgien. Sie liegt nun auf Stufe drei von vier, was bedeutet, dass eine Bedrohung als "möglich und wahrscheinlich" angesehen wird. Bisher war die Warnstufe in Belgien nur für Großveranstaltungen und offizielle Anlässe heraufgesetzt worden.

"Wir bedauern zutiefst, dass ein solches Freundschaftsspiel zwischen zwei motivierten Teams so spät abgesagt wird, und wir verstehen die Enttäuschung vieler Fans. Unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Umstände können wir jedoch keinerlei Sicherheitsrisiko für unsere Spieler und Fans eingehen", schrieb der belgische Fußball-Verband auf seiner Homepage. Zu dem Spiel waren 50 000 Zuschauer erwartet worden, die von 600 Polizisten und zusätzlichen Soldaten geschützt werden sollten.

"Das war keine schwierige Entscheidung"

Das frühere Heysel-Stadion, das nach der Katastrophe von 1985 umbenannt worden war, liegt in Laeken, das nördlich an die berüchtigte Brüsseler Einwanderer-Gemeinde Molenbeek-Saint-Jean grenzt. Laut der Tageszeitung De Standaard wurde der noch immer gesuchte mutmaßliche Pariser Attentäter Salah Abdeslam zuletzt in der Nähe des Stadions gesehen. Das könnte ein konkreter Grund für die Absage sein. "Das war keine schwierige Entscheidung", sagte der Präsident des Fußballverbands, François De Keersmaecker, am Dienstagmorgen. "Wir haben uns an die Meinung der Regierung gehalten. Es gibt nur eine Wahl, wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen."

Unterdessen geht die Suche nach Verdächtigen weiter, vor allem in Molenbeek. Mehrere Razzien mit Hunderten Polizisten haben bisher aber keine substanziellen Ergebnisse erbracht.

Dafür hat Belgien, dieses ohnehin vom Streit zwischen Flamen und Wallonen gequälte Land, nun ein weiteres großes Problem: Es gilt weltweit als sicherster Hafen für islamistische Terroristen in Europa. Frankreichs Staatspräsident François Hollande brachte diese Sicht in seiner Rede vor beiden Kammern des Parlaments in aller Deutlichkeit zum Ausdruck: "Die Anschläge wurden in Syrien entschieden und geplant, in Belgien organisiert, in Frankreich ausgeführt." Die Financial Times zitiert einen Sicherheitsbeamten aus einem belgischen Nachbarland sogar mit dem Satz, Belgien sei der "failed state an unserer Grenze". Das Nachbarland sei "nicht ganz auf der Höhe", schimpfte auch Alain Chouet, ein ehemaliger führender Mitarbeiter des französischen Geheimdiensts DGSE.

Solcher Kritik wissen Belgiens Politiker im Moment nur Aktionismus entgegenzusetzen. Innenminister Jan Jambon versprach, in Molenbeek "aufzuräumen", noch in dieser Woche will das Kabinett einen "Aktionsplan" vorlegen. Sein Außen-Kollege Didier Reynders reagierte auf die Vorwürfe aus Frankreich derweil mit Ironie: Ehemalige Experten hätten ja immer recht. Außerdem stelle er fest, dass man auch in Frankreich "in den vergangenen Stunden zahlreiche Untersuchungen durchführt: in Lille, Lyon, Toulouse und so weiter".

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