Die vier Hauptverdächtigen nach dem Terroranschlag auf eine Konzerthalle in Moskau sind am Abend zum Verhör in die russische Hauptstadt gebracht worden. Wie die Staatsagentur Tass berichtete, wurden die Männer in einer streng abgesicherten Wagenkolonne aus der Region Brjansk im Süden des Landes, wo sie festgenommen worden waren, zum sogenannten Ermittlungsausschuss gefahren. In den kommenden Tagen solle vor Gericht ein Haftbefehl beantragt werden. Ihnen allen drohe eine lebenslange Haftstrafe, hieß es bei Tass weiter.
Kremlchef Wladimir Putin hat für diesen Sonntag einen nationalen Trauertag für Russland ausgerufen, wie er in einer Ansprache an die Bevölkerung mitteilte. Bei dem Anschlag am Freitagabend sind nach Angaben der Ermittler mindestens 133 Menschen gestorben. Unter den Getöteten sind mindestens drei Kinder.
Im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu dem Anschlag gab es bisher elf Festnahmen. Das sagte der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Unter den elf Festgenommenen seien laut Inlandsgeheimdienst FSB auch die vier mutmaßlichen Attentäter. Sie sind nach Angaben des russischen Innenministeriums Ausländer: Es handele sich demnach nicht um Russen. Die russischen Behörden ermitteln wegen Terrorismus.
Kurz nach dem Angriff hatte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) auf einem ihrer Kanäle den Anschlag für sich reklamiert. Experten halten das Bekennerschreiben für echt. Im Laufe des Samstags veröffentlichte der IS ein Foto, das die vier mutmaßlichen Attentäter zeigen soll, in der Nacht auf Sonntag folgten Video-Aufnahmen,. Der Anschlag stehe im Zusammenhang mit dem "tobenden Krieg" zwischen dem Islamischen Staat und den Ländern, die den Islam bekämpften, teilt die Nachrichtenagentur Amak, das Sprachrohr der IS-Miliz, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Die Hintergründe sind noch völlig unklar.
Anschlag bei Moskau:Untersuchungshaft für vier Terrorverdächtige angeordnet
Die Terrororganisation IS übernimmt die Verantwortung für den Angriff auf die Konzerthalle, bei dem mehr als 130 Menschen getötet wurden. Putin behauptet trotzdem, die Spur führe in die Ukraine. Es gibt Hinweise darauf, dass die Angeklagten gefoltert werden.
Die vier mutmaßlichen Attentäter waren nach Angaben des FSB auf dem Weg zur ukrainischen Grenze, als sie gefasst worden seien. Auf der ukrainischen Seite hätten sie über Kontakte verfügt. Belege für eine Verbindung in die Ukraine, gegen die Russland seit mehr als zwei Jahren Krieg führt, wurden jedoch zunächst nicht präsentiert.
Das russische Außenministerium hatte zuvor kritisiert, dass die USA sehr schnell die Ukraine als möglichen Drahtzieher des Anschlags auf die Moskauer Konzerthalle entlastet haben. Es werfe Fragen auf, wenn die USA bereits solche Schlussfolgerungen zögen, während die Tragödie noch im Gang sei. Das sagte die Sprecherin des Ministeriums, Maria Sacharowa, am Freitagabend im russischen Fernsehen. "Wenn die USA oder ein anderes Land verlässliche Fakten hat, sollten sie diese der russischen Seite zukommen lassen." Wenn es solche Fakten nicht gebe, hätten weder das Weiße Haus noch sonst jemand das Recht, vorab eine Absolution zu erteilen, sagte Sacharowa.
Für die Ukraine, die sich seit zwei Jahren gegen einen russischen Angriffskrieg wehrt, wies das Außenministerium in Kiew jeden Verdacht auf eine Verantwortung zurück. Auch ein Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes betonte, Andeutungen über eine ukrainische Verbindung hätten nichts mit der Realität zu tun. Vielmehr handele es sich hier um "eine weitere Lüge des russischen Geheimdienstes". Und: "Die Ukraine verteidigt ihre Souveränität gegen russische Invasoren, befreit ihr eigenes Territorium und kämpft gegen die Armee der Besatzer und gegen militärische Ziele, nicht gegen Zivilisten", fügt der Sprecher hinzu.
Zuvor hatten bereits die USA angemahnt, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. "Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer mit den Schüssen zu tun hatten", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington. Die USA hatten zuletzt vor einem möglichen Terroranschlag in Russland gewarnt.
Putin tat Warnungen ausländischer Geheimdienste als westliche Provokation ab
Wie die Männer in Tarnuniform und schwer bewaffnet in die Konzerthalle gelangen konnten, war ebenfalls unklar. Die russische Hauptstadt Moskau gilt mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften, mit Überwachungskameras und Metalldetektoren an vielen Stellen als sichere Stadt. Die Geheimdienste der USA und anderer westlicher Länder hatten aber Anfang März vor einem drohenden Anschlag gewarnt. Präsident Wladimir Putin tat dies nach seiner Wiederwahl am vergangenen Sonntag als westliche Provokation ab.
Als die Schüsse fielen, rannten die Besucher in dem riesigen Veranstaltungszentrum um ihr Leben, wie Videos zeigten. Zu sehen waren auch einzelne auf dem Boden liegende Tote oder Verletzte. Nach Augenzeugenberichten in sozialen Medien brauchten viele Besucher von Crocus City Hall lange, um aus dem Gebäude herauszukommen. Die Ermittler fanden später Waffen und viel Munition. Tütenweise sammelten die Behördenmitarbeiter leere Patronenhülsen ein. Bei dem Anschlag geriet das Gebäude auch in Brand. Das russische Zivilschutzministerium nannte eine Fläche von 13 000 Quadratmetern, die in Flammen standen. Löschhubschrauber waren im Einsatz. Das Dach soll eingestürzt sein. Auch wenn es hieß, das Feuer sei unter Kontrolle, schlugen am frühen Samstagmorgen doch wieder offene Flammen aus dem Gebäude, wie die Agentur Tass meldete.
Dutzende Rettungswagen waren im Einsatz und viele Busse, um Menschen in Sicherheit zu bringen. In der Crocus City Hall gibt es mehrere Veranstaltungssäle, die auch für Messen genutzt werden. Es ist eine der beliebtesten Freizeitstätten für die Moskauer und die Menschen im Umland der russischen Hauptstadt. Immer wieder sind dort auch Stars aufgetreten. Am Freitagabend hätte es ein Konzert der russischen Rockband Piknik geben sollen.