Anschlag bei Moskau:Untersuchungshaft für vier Terrorverdächtige angeordnet

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Auf diesem vom russischen Ermittlungskomitee veröffentlichten Video wird ein Verdächtiger der Schießerei in der "Crocus City Hall" in die Zentrale des russischen Ermittlungskomitees eskortiert. (Foto: Uncredited/dpa)

Die Terrororganisation IS übernimmt die Verantwortung für den Angriff auf die Konzerthalle, bei dem mehr als 130 Menschen getötet wurden. Putin behauptet trotzdem, die Spur führe in die Ukraine. Es gibt Hinweise darauf, dass die Angeklagten gefoltert werden.

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat auf ihren Telegram-Kanälen Szenen des Anschlags auf die "Crocus City Hall" bei Moskau veröffentlicht. Das etwa eineinhalb Minuten lange Video zeigt die Nahaufnahme eines der Schützen, der das Feuer auf mehrere Menschen in einer offenbar großen Konzerthalle eröffnet.

Der IS reagiert damit vermutlich auf die russischen Anschuldigungen gegen die Ukraine und versucht, die eigene Verantwortung für den Anschlag vom Freitagabend zu belegen, bei dem mehr als 130 Menschen getötet und 180 Menschen verletzt wurden. Während des Anschlags kam es zu Explosionen, Feuer brach aus, schließlich stürzte das Dach des Gebäudes ein.

Wie die Zeit berichtet, soll die Umgebung, in der das Video aufgenommen wurde, zu anderen Aufnahmen vom Anschlagsort passen. Es gibt Hinweise, die auf eine Täterschaft des "Islamischen Staates in Khorasan", eines IS-Ablegers mit Basis in Afghanistan, deuten. In der Terrororganisation kämpfen auch russische Islamisten. Es gibt auch eine kaukasische IS-Gruppe. Die festgenommenen Tatverdächtigen sollen laut russischen Medien aus Tadschikistan stammen. Ob das stimmt, ist jedoch unklar.

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Von Tomas Avenarius

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte trotz eines Bekennerschreibens des sogenannten Islamischen Staates die Ukraine einer Mittäterschaft bezichtigt. Angeblich hätten vier festgenommene Täter dorthin fliehen wollen. Gegen sie erhob das Moskauer Bezirksgericht Basmanny am Sonntag Anklage. Ihnen werde die Beteiligung an einem terroristischen Akt vorgeworfen, berichtet die staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Drei der vier Männer sollen sich schuldig erklärt haben.

Die Angeklagten wurden am Sonntag von vermummten Sicherheitskräften in den Gerichtssaal gebracht und mit deutlich sichtbaren Blutergüssen, Schwellungen, Schürf- und Platzwunden in Glaskäfigen platziert. Einer von ihnen war offensichtlich nicht mehr in der Lage zu laufen und lag mit geschlossenen Augen festgeschnallt in einem Krankenstuhl. Ein anderer hatte einen wenig fachmännisch wirkenden Verband am rechten Ohr. Vor dem Gerichtstermin waren Videoaufnahmen im Netz verbreitet worden, die zeigen sollen, dass die festgenommenen Männer gefoltert wurden und einem von ihnen gar ein Ohr abgeschnitten wurde. Ob die Aufnahmen authentisch sind, ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Die eigentliche Anhörung fand hinter geschlossenen Türen statt. Laut der Nachrichtenagentur Ria drohen den Verdächtigen aber lebenslange Haftstrafen. Vorerst sollen sie für zwei Monate und damit bis 22. Mai in Untersuchungshaft.

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Nach russischen Angaben sollen die Festgenommenen in der Ukraine Kontakte gehabt haben. Kiew hat das zurückgewiesen. Auch Washington geht von einem Anschlag des IS aus. Es habe keine ukrainische Beteiligung gegeben, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Adrienne Watson.

Die US-Regierung hatte Anfang des Monats Russland Informationen über einen geplanten Anschlag in Moskau zukommen lassen. Die US-Botschaft hatte am 7. März eine öffentliche Warnung für Amerikaner in Russland herausgegeben. Sie besagte, dass Extremisten planen würden, große Versammlungen in Moskau anzugreifen, darunter Konzerte. Putin hatte die Warnung in einer Rede als westliche Provokation abgetan.

Nach Worten des Vizechefs des russischen Sicherheitsrates, Dimitri Medwedew, will Russland die Drahtzieher des Anschlags ins Visier nehmen. "Wir werden jeden einzelnen (der Getöteten und Verletzten) rächen. Und diejenigen, die daran beteiligt sind, unabhängig von ihrem Herkunftsland und ihrem Status, sind jetzt unser wichtigstes und legitimes Ziel", gab Medwedew über Telegram bekannt.

Russland hat mit einem nationalen Tag der Trauer der Opfer gedacht. Flaggen wehten landesweit auf halbmast. Zahlreiche Menschen legten Blumen am Anschlagsort nieder.

© SZ/Reuters/dpa/mcs/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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