Ministerposten:Abschied von den harten Bänken

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Die FDP und ihre Minister: Rainer Brüderle ist der große Gewinner im Poker um Posten - auf Kosten eines anderen altgedienten Liberalen.

P. Blechschmidt, Berlin

Dr. Guido hielt Sprechstunde, und der Saal Lippe in der Berliner Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen verwandelte sich in ein Wartezimmer. Während der vergangenen drei Wochen besprach sich hier die FDP-Delegation bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union. Am Donnerstag zur Mittagszeit wurde er zum Basislager für künftige steile Karrieren. Einzeln bat Parteichef Westerwelle die Mitglieder seines Präsidiums zum Personalgespräch ins Kaminzimmer der Vertretung; höflich, wie es seine Art ist, geleitete er sie anschließend persönlich zurück ins Wartezimmer.

Wird möglicherweise der neue deutsche Wirtschaftsminister: Der FDP-Politiker Rainer Brüderle (Foto: Foto: dpa)

Auch Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Beerfeltz und Parteisprecher Robert von Rimscha wurden zur Audienz gebeten. Ihnen allen eröffnete Westerwelle - unter dem Siegel der Verschwiegenheit gegenüber Dritten -, wie er sich die Verteilung von Ämtern und Posten in der künftigen Koalition vorstellt.

Ein solches Personalpaket ist "ein filigranes Kunstwerk", sagt einer, der sich mit so etwas auskennt. Viele haben sich Verdienste erworben. Sie haben brav elf Jahre lang auf den harten Oppositionsbänken ausgeharrt, tapfer Gesetzentwurf um Gesetzentwurf für den Papierkorb produziert, endlose Sitzungen, Konferenzen und Parteitage absolviert. Erfahrene alte Hasen und engagierte, viel-versprechende Talente wollen gewürdigt sein. Vor allem aber muss auch in einer liberalen Partei der Regionalproporz beachtet werden. Südschiene versus Nordrhein-Westfalen ist in der FDP ein geradezu klassischer Konflikt.

Dies alles musste Westerwelle, der selbst Außenminister wird, austarieren, weil er mit seinem Personalpaket nicht in den Gremien an diesem Wochenende über Gebühr anecken will. "Das Paket muss so geschnürt sein, dass niemand glaubt, dagegen eine Mehrheit organisieren zu können", sagt der Experte. "Der Versuch, Einzelne herauszulösen, würde das ganze Gebäude ins Wanken bringen." Und wäre damit von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Anhand dieser Kriterien konnte sich jeder halbwegs Kundige schon im Vorfeld seine Chancen und die seiner Konkurrenten ausrechnen, so dass sich Überraschungen, aber auch Enttäuschungen in Grenzen halten dürften. Als klarer Sieger geht Rainer Brüderle aus dem Verhandlungsmarathon der vergangenen Wochen hervor.

Immer gut für einen flotten Spruch

Indem Kanzlerin Angela Merkel das Finanzministerium für die Union reklamiert, macht sie den Weg frei für Brüderle ins Wirtschaftsministerium. Der joviale Mainzer, der immer für einen flotten Spruch gut ist, hat sich in den Koalitionsverhandlungen durchaus Respekt bei der Union erworben.

Der FDP-Kandidat für das Finanzministerium, Hermann-Otto Solms, kommt nicht zum Zuge. Er und Brüderle hatten sich in die Hand versprochen, nicht um das Wirtschaftsministerium zu konkurrieren.

Solms, dessen Stärke der öffentliche Auftritt nicht ist, wird sich auf sein bisher schon ausgeübtes Amt eines Vizepräsidenten des Bundestages zurückziehen. Außerdem bleibt er der FDP als Schatzmeister erhalten. Mit der Sanierung der Parteifinanzen hat er sich um die Liberalen verdient gemacht.

Seit langem als Justizministerin gesetzt ist die bayerische Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die dieses Amt in den neunziger Jahren schon einmal ausübte. Für das Ergebnis, das sie in den Arbeitsgruppen-Verhandlungen mit Noch-Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) erzielt hatte, erntete sie in den eigenen Gremien Applaus auf offener Szene.

Pieper als Ministerin im Gespräch

Als erste Kandidatin für den vierten Ministerposten der FDP galt am Freitag Cornelia Pieper. "Sie ist das Gesicht der FDP im Osten", sagt ein Präsidiumskollege. Die in Halle geborene Pieper tritt für mehr Bundeskompetenzen im Bildungswesen ein und legt sich damit unverdrossen mit den Föderalisten auch in der eigenen Partei an. Insofern ist der Koalitionsvertrag, der auch darauf abzielt, den Bund wieder stärker ins Bildungsspiel zu bringen, geradezu eine Vorlage für Pieper als Bildungsministerin.

Offen war am Freitag, ob die FDP eventuell noch einen fünften Minister stellen kann. Die besten Chancen auf den Fraktionsvorsitz im Bundestag wurden der baden-württembergischen Landesvorsitzenden Birgit Homburger eingeräumt. Parteifreunde loben sie als bienenfleißig und durchsetzungsstark.

© SZ vom 24.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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