Migration:28 statt zehn Tage

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Sie will Regeln, die dem Kampf gegen politischen Extremismus dienen, auch bei Organisierter Kriminalität anwenden: Bundesinnenministerin Nancy Faeser. (Foto: Paul Zinken/DPA)

Das Innenministerium will die Abschieberegeln verschärfen. Zum Beispiel soll künftig der Abschiebegewahrsam verlängert werden. Aus der Opposition kommt Kritik.

Von Tobias Bug und Carim Soliman, Berlin

28 statt zehn Tage: So lange sollen Menschen vor ihrer Abschiebung künftig in Gewahrsam genommen werden können. Das ist einer der Vorschläge für die Änderung des Ausländerrechts, die das Bundesinnenministerium am Mittwoch vorgelegt hat. Die Bundesregierung will damit die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber erleichtern.

Zweitens soll die Polizei mehr Spielraum bekommen, um Personen aus Sammelunterkünften zu holen. Schon heute ist es so, dass die Beamten in Räumlichkeiten von abzuschiebenden Personen eindringen dürfen. Andere Zimmer waren dagegen bisher tabu. In Zukunft soll die Polizei "unter engen rechtsstaatlichen Voraussetzungen" auf der Suche nach der Personen "weitere Räumlichkeiten" betreten dürfen, heißt es in dem Papier.

Alles nur "ein reines Wahlkampfmanöver"?

Drittens schlägt das Innenministerium vor, Wohnsitzauflagen künftig sofort umzusetzen. Das heißt, die Behörden können bestimmen, wo ein Asylbewerber zu wohnen hat - und ihm den Umzug verbieten. Auch Ein- und Ausreiseverbote sollen sofort vollziehbar sein.

Schon vor knapp drei Monaten hatten sich Bund und Länder auf diese Änderungen im Ausländer- und Sozialrecht verständigt. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) zur Fluchtpolitik Mitte Mai hatten alle Länderchefs dafür gestimmt. Damals hatte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf angekündigt. Bei den nun veröffentlichten Vorschlägen handelt es sich aber lediglich um ein Papier, auf dessen Grundlage eine Gesetzesnovelle mit den Ländern und Kommunen diskutiert werden soll.

Alexander Throm, Sprecher für Inneres und Heimat der Bundestagsfraktion von CDU und CSU sieht in dem Diskussionspapier ein "reines Wahlkampfmanöver" von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die sich im Oktober zur Ministerpräsidentin von Hessen wählen lassen will. Faeser könne es sich im Wahlkampf nicht leisten, dass einer ihrer Gesetzesentwürfe abgelehnt werde, und spiele deswegen auf Zeit.

"Dass die Bundesregierung nach einem einstimmigen Entschluss auf einer MPK nur ein Diskussionspapier und kein Eckpunktepapier oder einen Gesetzentwurf vorlegt, habe ich noch nie erlebt", sagt Throm. Einen solchen habe die Union noch im Mai im Parlament eingebracht. Die Ampelkoalition lehnte ab, wohl auch, weil die CDU Moldawien und Georgien als sichere Herkunftsländer ausweisen wollte.

Die SDP verteidigt die Pläne ihrer Ministerin

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums entgegnet auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung, dass man es Kommunen und Ländern vor dem eigentlichen Gesetzgebungsprozess überlassen wolle, die Vorschläge zu vertiefen. Im Bereich der Abschiebung käme es ganz besonders auf die "praktischen Bedarfe und Erfahrungen" der örtlichen Behörden an.

Dirk Wiese, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sagte, er sei froh, dass seine Parteikollegin Faeser "Entwürfe zur breiten Diskussion stellt, die zum einen die Durchsetzung von Einreise- und Aufenthaltsverboten und die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern sinnvoll verbessern".

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Das Innenministerium strebe mitunter die gleichen Verschärfungen an, die der CDU-Vorstoß damals vorgesehen habe, sagt Clara Bünger, Sprecherin der Linksfraktion. "Dieser Schritt zeigt, wie sehr die Bundesregierung von rechts getrieben ist." Solche Maßnahmen entlasteten keine einzige Kommune, aber sie setzten Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus unter Druck und trügen zur Stigmatisierung von Geflüchteten bei.

Auch Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl, kritisiert die Vorschläge: "Verschärfungen der Regeln und Debatten darüber führen nicht zu mehr Abschiebungen - sondern zu härteren." Bereits jetzt würden Gerichte rund die Hälfte aller Abschiebungen kippen, weil sie einen Duldungsgrund feststellten, zum Beispiel die Trennung von der Familie oder eine Ausbildung. Jedes dieser Verfahren bedeute eine hohe Belastung für die Verwaltung. In dem Vorstoß des Bundesinnenministeriums sieht Alaows daher lediglich den Erfolg rechter Narrative. "Die Belastung von Kommunen wird hier instrumentalisiert."

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