Migranten in der Politik:Vergessen und entmutigt

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Auch in der neuen Regierung ist - bis auf Katarina Barley - kein Minister mit Migrationshintergrund zu sehen. (Foto: AFP)

Fast 19 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. In der Politik aber finden sie sich kaum wieder. Das mögliche neue Kabinett ist nicht bunt genug.

Kommentar von Gökalp Babayiğit

Wie kompliziert die Bildung eines Kabinetts doch sein muss. Da streiten die Koalitionspartner von CDU, CSU und SPD die Nächte hindurch über die Aufteilung der Ministerien, und dann beginnt der parteiinterne Spaß: Bei den ergatterten Posten müssen sie nun mit aller Sorgfalt die Landesverbände von Baden-Württemberg über Hessen bis nach Schleswig-Holstein berücksichtigen - und klar, natürlich soll der Frauenanteil steigen.

Ostdeutschen Politikern wurde es angesichts des nun gehandelten Personaltableaus zu bunt: Die neuen Bundesländer seien, trotz der ostdeutschen Kanzlerin, unterrepräsentiert. Doch was sollen da die Deutschen mit Migrationshintergrund sagen? Fragte man sie, würden sie sagen: Dieses Kabinett ist eindeutig nicht bunt genug.

Fast 19 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund, jeder zweite von ihnen hat einen deutschen Pass. Diese gesellschaftliche Realität spiegelt sich nicht in den Medien wider, nicht bei den Gewerkschaften oder in der Politik, das ist eine seit Langem bekannte und bedauernswerte Tatsache. Wer zum Beispiel die Zusammensetzung des Bundestages zum Maßstab nimmt, dem drängt sich die Frage auf: Woher soll man die Minister mit Migrationshintergrund auch nehmen?

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Von Oliver Das Gupta

Von den 709 Abgeordneten haben, so zählen die Experten vom Mediendienst Integration, nur 58 eine sogenannte Einwanderungsgeschichte - bescheidene 8,2 Prozent aller Parlamentarier also. Während in der SPD-Fraktion noch fast jeder zehnte einen Migrationshintergrund hat, sind es in der CDU/CSU-Fraktion nur 2,9 Prozent. Dass dieser Zählung zufolge sogar die AfD auf eine höhere Quote kommt, sollte der Union zu denken geben.

Es ist erschreckend, mit welchem Hass Politiker wegen ihrer Herkunft konfrontiert sind

Die meisten Parteien haben jahrzehntelang wenig getan, um für Bürger mit ausländischen Wurzeln, viele davon auch Wähler, interessant zu werden. Manche Parteien tun bis heute nichts dafür. Wie soll da eine Karriere in der Politik reizvoll wirken? Es fehlen, bis auf wenige Ausnahmen, die Vorbilder. Dafür gibt es aber reichlich Anschauungsmaterial darüber, mit welchen Widerständen und mit welch unverhohlenem Hass Politiker wegen ihres Migrationshintergrunds konfrontiert sind. Da kann ein AfD-Abgeordneter im Bundestag die Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz (SPD) als "Musterbeispiel misslungener Integration" bezeichnen, ohne eine Zurückweisung oder Rüge zu kassieren; da kann der damalige AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland vor der Wahl sagen, er wolle die SPD-Politikerin in Anatolien entsorgen - ohne sich bis heute dafür entschuldigt zu haben. Je leiser der Protest gegen solche Sätze bleibt, desto entmutigender wirkt das auf Menschen mit Migrationsgeschichte.

Ein buntes Kabinett hätte ein starkes Zeichen sein können in Zeiten, in denen die größte Oppositionspartei im Bundestag ein Sammelbecken für Ausländerfeinde ist. Doch in Katarina Barley, der Tochter eines Briten, sitzt voraussichtlich nur eine Politikerin mit ausländischen Wurzeln im Kabinett von Angela Merkel. Den Posten der Integrationsbeauftragten der neuen Bundesregierung wird nach dem Abgang von Aydan Özoğuz - sie wechselt wohl nach Hamburg - übrigens die CDU besetzen. Die Nachfolgerin ist noch nicht gefunden. Eine komplizierte Angelegenheit, dieser Proporz.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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