Deutsch-französische Beziehungen:Duo mit Differenzen

Lesezeit: 3 min

Viel zu besprechen haben am Freitag Emmanuel Macron und Angela Merkel; das Foto stammt vom Juli 2020. (Foto: John Thys/Reuters)

Deutschland und Frankreich gelten als Motor der EU und haben einander versprochen, "wann immer möglich, gemeinsam zu handeln". Doch in der Realität gibt es viele Reibungspunkte zwischen Macron und Merkel.

Von Daniel Brössler, Berlin, und Paul-Anton Krüger, Berlin/München

Im Kanzleramt hatten sie mal wieder die Wahl. Als kürzlich Europastaatssekretär Clément Beaune im Sender France Inter freimütig "größte Zweifel" an Nord Stream 2, der umstrittenen Gas-Pipeline von Russland nach Deutschland, äußerte, konnten sie sich damit beruhigen, dass die Kritik ja nicht direkt aus dem Élysée-Palast kam. Oder aber sie konnten - und das ist wahrscheinlicher - alarmiert sein, weil es doch als sehr unplausibel gelten darf, dass Beaune in einer so wichtigen Sache nicht ganz im Sinne des Präsidenten gesprochen hat. Womit das Verhältnis von Angela Merkel und Emmanuel Macron beschrieben wäre. Sie haben gelernt, in Europa als Duo aufzutreten, auf der Hut bleiben sie aber immer.

An diesem Freitag dürfte Europa zumindest vordergründig das Duo zu sehen kriegen. Es tagt per Videoschalte der Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat, der 2019 im von Merkel und Macron unterzeichneten Aachener Vertrag als "politisches Steuerungsorgan für diese beiderseitigen Verpflichtungen" noch einmal aufgewertet worden ist. Wenn Präsident, Kanzlerin sowie die Minister und Ministerinnen für Äußeres und Verteidigung konferieren, soll das zeigen, dass Deutschland und Frankreich mehr sind als nur zwei EU-Nachbarn. Schließlich haben sie sich doch vorgenommen, so steht es im Aachener Vertrag, "wann immer möglich, gemeinsam zu handeln".

Berlin und Paris setzten den Corona-Fonds durch

Während der Pandemie hat das funktioniert. Gemeinsam setzten Merkel und Macron einen Corona-Fonds durch, der europäische Handlungsfähigkeit demonstrierte. In der Außen- und Sicherheitspolitik, um die es am Freitag geht, ist das schwieriger. Zu sprechen ist über zähe Rüstungsprojekte wie FCAS, das Future Combat Air System, das die Luftverteidigung revolutionieren soll, vorläufig aber vor allem Misstrauen schürt zwischen Paris und Berlin.

Auch Macrons Idee einer europäischen Souveränität und strategischen Autonomie stößt bei Merkel auf Skepsis. Zwar plädiert auch sie für deutlich größere europäische Anstrengungen in der Verteidigung, den Eindruck aber, Europa könnte sich unabhängig machen von den USA , will sie vermeiden. Macron wiederum würde sich von Deutschland einen größeren Beitrag wünschen, etwa wenn es um militärische Einsätze in der unruhigen Sahelzone geht.

Grundsätzlich aber ist Macron, der Weltpolitiker, keiner, der im Duett agiert. Fragt man sich, wie Macrons Idealversion seiner selbst als Geopolitiker aussieht, braucht man sich nur den G-7-Gipfel 2019 in Biarritz anschauen. Macron war nicht einfach Gastgeber, er war weltpolitischer Showmaster. Bei der UN-Generalversammlung in New York wollte er ein Treffen zwischen dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani und Trump arrangieren. Eine Kreditlinie von sieben Milliarden Dollar sollte den Iranern das schmackhaft machen. Auf Nachfragen aus europäischen Hauptstädten, woher dieses Geld denn kommen solle, lieferte der Élysée allenfalls ausweichende Antworten. Die Hotelsuite war reserviert, auch sichere Telefonleitungen, aber aus dem historischen Treffen wurde nichts.

Beispiel Türkei: Macron ist die Linie Merkels gegenüber seinem erklärten Erzrivalen, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, zu lau. Im Konflikt um die Gaserkundungen in der Ägäis steht er klar auf der Seite Griechenlands und Zyperns. Merkel sieht Deutschland eher als Vermittler. In Libyen schlug sich Macron auf die Seite der Vereinigten Arabischen Emirate und des aufständischen Warlords Khalifa Haftar. Er unterlief damit eine gemeinsame europäische Position, versuchte Italien auszumanövrieren, das wie offiziell auch die EU und selbst Frankreich die international anerkannte Regierung in Tripolis unterstützte. Als Friedensstifter aber konnte Macron sich auch in dieser Krise letztlich nicht beweisen. Merkel zog das Dossier schließlich nach Berlin, versuchte als neutraler Mittler zwischen den Polen zu fungieren und richtete eine Friedenskonferenz aus.

Kritiker werfen Macron Aktionismus vor

Macrons außenpolitische Initiativen haben gemeinsam, dass sie stets viel Aufmerksamkeit generieren. Und das Ergebnis mit der vorherigen Aufregung oft nicht mithalten kann. Den Kritikern gegenüber, die Macron Aktionismus vorwerfen, bleibt Frankreichs Präsident gelassen. Es ist weder Teil seiner Persönlichkeit noch Teil des französischen Präsidialsystems, sich für Ehrgeiz und Visionen zu schämen. Im Gegenteil. Wenn Macron mit seinen Äußerungen Partnerländer verärgert, so als er die Nato im November 2019 als "hirntot" bezeichnete, dann steht er danach zum Gesagten. Macron selbst nennt seine Methoden "disruptiv". Irritationen sind ihm lieber als Stillstand.

Überrascht hat Macron die Kanzlerin auch mit seiner Russland-Politik. So machte er Kreml-Chef Wladimir Putin Avancen und machte sich stark für ein Tauwetter zwischen der EU und Russland. Im Zweiergespräch dürfte es an diesem Freitag nun darum gehen, eine gemeinsame Linie im Umgang mit Putin nach der Verurteilung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny zu dreieinhalb Jahren Lagerhaft zu finden. Merkel hat schon erkennen lassen, dass sie offen ist für neue Sanktionen. An den in Paris befürworteten Stopp der Pipeline Nord Stream 2 allerdings denkt sie dabei nicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungEU
:Eine europäische Armee muss her

Soll Europa militärische Souveränität erlangen, wie Frankreich es fordert? Oder können nur die USA für die Sicherheit garantieren, wie Deutschland entgegnet? Beide haben recht - und könnten sich in der Mitte treffen.

Kommentar von Daniel Brössler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: