Medizinstudium: Dr.? No!

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Eine Anatomievorlesung an der Universität Leipzig: Deutschlandweit übersteigt die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um einen Medizinstudium die der dafür vorhandenen Plätze. (Foto: Bernhard Classen/imago)

In Deutschland droht Ärztemangel, doch das Medizinstudium bleibt eine exklusive Veranstaltung. Wie geht das zusammen? 

Von Paul Munzinger

An der Universität Heidelberg haben sich für das laufende Wintersemester mehr als 24 000 Menschen um einen Platz im Medizinstudium beworben. Angenommen wurden 352. Hans-Georg Kräusslich, Dekan der medizinischen Fakultät, freut sich über das Interesse. Er warnt aber davor, die Zahlen überzubewerten oder auszurechnen, dass 98,5 Prozent der Bewerbungen abgelehnt wurden. Schließlich können Interessenten nicht nur eine Stadt angeben, sondern viele. Ob sie wirklich nach Heidelberg wollten oder anderswo einen Studienplatz bekommen haben, weiß er nicht.

Tatsächlich sind die Chancen auf einen Platz nicht überall so bescheiden wie in Heidelberg. Doch auch bundesweit ist das Medizinstudium eine exklusive Veranstaltung: Auf rund 10 000 Plätze kamen zuletzt knapp 40 000 Bewerber.

Über die Frage, wie sich der Mangel gerecht verwalten lässt, wird seit Jahrzehnten diskutiert. Die Abiturnote hat an Bedeutung verloren, die Berufserfahrung gewonnen; in Heidelberg wollen sie bald auch zwischenmenschliche Kompetenzen in die Auswahl einfließen lassen. Doch zunehmend stellt sich auch eine andere Frage: Warum sind es so wenige Plätze? Wie kann es sein, dass jedes Jahr Zehntausenden ein Medizinstudium versagt wird, während Stellen unbesetzt bleiben?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat kürzlich einmal mehr zusätzliche Studienkapazitäten in Medizin gefordert. 5000 Plätze mehr müssten die Länder schaffen, sonst "werden wir die Babyboomer-Generation in naher Zukunft nicht mehr angemessen versorgen können". Auch Bundesärztekammer und Marburger Bund warnen: Schon jetzt sei ein Ärztemangel spürbar, der in einer "Gesellschaft des langen Lebens" noch zunehmen wird.

Der Arbeitsmarkt für Ärztinnen und Ärzte erinnert in gewisser Weise an den für Lehrkräfte: In beiden Fällen ist es der Staat, der in Gestalt der Bundesländer entscheidet, wie viele Menschen ausgebildet werden. Und in beiden Fällen fällt es ihm zunehmend schwer, den Bedarf zu decken. Ein Grund, hier wie dort, ist eine träge Planung. Zwar wurden die Ausbildungskapazitäten zuletzt erhöht, vor allem in Bayern. Doch bundesweit gesehen geht der Zuwachs nicht schnell genug, um mit den gesellschaftlichen Veränderungen Schritt zu halten. Die Teilzeitquote unter Ärztinnen und Ärzten etwa stieg laut Marburger Bund allein seit 2013 von 15 auf 31 Prozent.

Dazu kommt im Fall des Medizinstudiums das Geld: Ein Studierender kostet pro Jahr etwa 30 000 Euro, sagt der Heidelberger Dekan Kräusslich, macht fürs gesamte Studium mehr als 200 000 Euro. 5000 neue Plätze, wie von Karl Lauterbach gewünscht, gingen also in die Milliarden, die die Länder auf jeden Fall nicht alleine bezahlen wollen. Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) etwa fordert "ein klares Bekenntnis des Bundes zur Mitfinanzierung der Reform".

Doch selbst wenn die Politik den Willen und das Geld aufbringt, bleibt eine Hürde: die Unikliniken selbst. Haben sie genug Lehrpersonal? Genug Räume? "Mehr Studienplätze", sagt Kräusslich, "müssen nicht nur finanziert, sondern auch machbar sein."

Kräusslich ist der Ruf nach mehr Studienplätzen zu "reflexhaft". Man müsse auch darüber reden, wie Ärzte entlastet und der Beruf attraktiver gemacht werden könne. Denn viele Mediziner landeten nach der teuren Ausbildung gar nicht im Krankenhaus - sondern in der Industrie oder im Ausland. "Wir bilden nicht zu wenige Leute aus", sagt Kräusslich. "Wir verlieren zu viele."

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