Maskenaffäre:Wer bat wen um einen Gefallen?

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"Dieses Vorgehen war ungewöhnlich": Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bestreitet, den damaligen CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein um Vermittlerdienste gebeten zu haben. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Der Ex-CSU-Politiker Georg Nüßlein will von Minister Jens Spahn um Vermittlerdienste gebeten worden sein. Der weist das weit von sich.

Von Klaus Ott, München

Erst gab es zu wenig Schutzmasken gegen das Coronavirus. Als die Pandemie begann, kauften Regierungen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen alles, was der überteuerte Markt hergab. Wenige Monate später gab es Maskenberge. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) saß, bildlich gesprochen, wie viele andere auf einem solchen Berg und musste schauen, wo und wie sich bereits bestellte Ware unterbringen ließ. In dieser verzwickten Lage ist es angeblich am 23. Juni 2020 zu einer merkwürdigen Begebenheit gekommen. Spahn soll sich an den damaligen CSU-Bundestagsabgeordneten und Gesundheitspolitiker Georg Nüßlein gewandt und ihm 30 Millionen FFP2-Masken angeboten haben, "die von China aus direkt nach Südamerika geliefert werden könnten".

Das jedenfalls behauptet Nüßleins Anwalt in einer Stellungnahme, die er Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR auf Fragen zur Maskenaffäre zukommen ließ. Ein Minister, der sich eines Abgeordneten bedienen will, um überflüssige Masken aus China in Südamerika loszuwerden? Das wäre ungewöhnlich. Doch das Gesundheitsministerium stellt die Sache auf Anfrage genau andersherum dar. Nicht Spahn sei auf Nüßlein zugegangen. Vielmehr habe Nüßlein sich "in Telefonaten selbst als Vermittler angeboten". Weder Spahn noch andere Vertreter des Ministeriums hätten jemals Abgeordnete "aktiv um Unterstützung beim Weiterverkauf gebeten". Der einzige, der sich "je zu diesem Zweck angeboten hat, war Herr Abgeordneter Nüsslein". So das Ministerium.

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Wollte Nüßlein außer bei jenem Maskendeal, in dem die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt, auch noch anderweitig an Geschäften mit der Gesundheit verdienen? Nüßleins Anwalt erklärt, sein Mandant habe in allen Fällen, die nunmehr publik werden, "kein Vermittlungshonorar erhalten". Wobei es in diesen Fällen auch gar nicht zu Vertragsabschlüssen kam. Das Ministerium sagt, man habe Schutzmasken aus eigenen Beständen und anderes Material ausschließlich kostenlos an andere Staaten abgegeben.

Nüßlein könnte ein Honorar von mehr als einer Million Euro zustehen

Warum Nüßlein über seinen Anwalt den China-Südamerika-Vorgang an die Öffentlichkeit bringt, wie immer der sich auch abgespielt haben mag, ist leicht zu erklären. Der Ex-Abgeordnete möchte so die Vorwürfe gegen ihn in der Maskenaffäre entkräften. Nüßlein will bei dem Maskengeschäft, in dem ermittelt wird, nicht als Abgeordneter gehandelt haben. Das sei ganz klar gewesen, auch für Spahn. Schließlich habe der selbst bei Beschaffungsvorgängen im Rahmen der Corona-Pandemie Nüßlein mehrmals um Unterstützung gebeten, und das "ausdrücklich außerhalb des Mandats". So erklärt das Nüßleins Anwalt.

Juristisch wäre dem früheren CSU-Gesundheitspolitiker auf diese Weise geholfen. Hätte der damalige Abgeordnete bei dem von ihm vermittelten Maskendeal nicht als Abgeordneter agiert, dann läge auch keine Abgeordnetenbestechung vor. Die Generalstaatsanwaltschaft München müsste die Akten schließen. Und Nüßlein müsste die 660 000 Euro Honorar, die er damals erhielt und die später von der Justiz konfisziert wurden, zurück bekommen. Und er hätte zudem Anspruch auf ein vereinbartes Zusatzhonorar in Höhe von 560 000 Euro.

Mit Spahns Hilfe könnte Nüßlein, träfe seine Darstellung zu, also sogar noch Masken-Millionär werden. Doch Spahn und das Ministerium sprechen in all diesen Fällen vom Abgeordneten und nicht vom Privat- oder Geschäftsmann Nüßlein. Das gilt auch für einen weiteren Vorgang, den der frühere CSU-Politiker jetzt über seinen Anwalt öffentlich macht und der ihn ebenfalls entlasten soll. Nüßlein will Mitte 2020 von Spahn gebeten worden sein, beim Weiterverkauf von 1000 Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten nach Südamerika zu helfen. Damals habe offenbar ein "erheblicher Überschuss" an solchen Geräten bestanden, erklärt Nüßleins Anwalt.

Und wieder stellt das Gesundheitsministerium die Sache genau andersherum dar. Nicht Spahn sei auf Nüßlein zugegangen. "MdB Nüsslein hat vielmehr seinerseits Spahn angeboten, entsprechend zu vermitteln, da er durch seine Tätigkeit als Abgeordneter Kontakte in diese Länder habe und diese aufgrund der Entwicklung der Pandemie in diesen Ländern einen besonderen Bedarf hatten." Anschließend habe sich dann der Geschäftsmann Thomas Limberger beim Gesundheitsministerium gemeldet. "Dieses Vorgehen war ungewöhnlich", erklärt das Ministerium.

Auch ein Investment-Manager ist unter den Beschuldigten

Limberger hatte Spitzenfunktionen bei General Electric und anderen international agierenden Unternehmen inne, bevor er eine private Investmentfirma gründete. Er ist weltweit gut vernetzt. Er hat bei dem Maskengeschäft rund um Nüßlein und den langjährigen CSU-Politiker Alfred Sauter mitgewirkt. Er ist einer der Beschuldigten in den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft. Wie alle anderen Verdächtigen weist er den Vorwurf zurück, die Honorare für Nüßlein und Sauter seien Schmiergeld gewesen.

Im Falle der Beatmungsgeräte habe "Limberger über MdB Nüßlein ein Angebot gemacht", erklärt das Gesundheitsministerium und verweist auf eine Mail vom 14. Juli 2020. Damals schrieb eine Mitarbeiterin von Spahns Ministerbüro an Limberger: "Von Herrn MdB Nüsslein hatte ich die Information, dass Ihre Anfrage 1000 Geräte beinhaltet." In der Mail folgten Informationen über die Beatmungsgeräte. Und der Hinweis, sollte Limberger ein "substantiiertes Interesse" haben, dann werde das Ministerium auf die Herstellerfirma zugehen.

Limbergers Anwaltskanzlei teilt dazu auf Anfrage mit, "unser Mandant wurde gefragt, ob er Abnehmer für zu viel bestellte Beatmungsgeräte wisse". Daraufhin habe Limberger beim Ministerium nähere Informationen angefordert und die Sache anschließend nicht weiterverfolgt. Limberger habe zu keiner Zeit in diesem Zusammenhang über eine Honorierung von Nüßlein "korrespondiert, gesprochen oder auch nur nachgedacht".

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