Großbritannien:Strafzettel? Nicht mal ignorieren!

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Um den Stau zu reduzieren und den Umstieg auf Bus und Bahn attraktiver zu machen, müssen Autofahrer seit 20 Jahren eine Gebühr zahlen, wenn sie in Londons Innenstadt fahren. (Foto: imago images / imagebroker)

London verlangt auch von Diplomaten, dass sie die City-Maut bezahlen. Doch viele Botschaften weigern sich seit Jahren. Allein Deutschlands offene Rechnung beträgt mehr als vier Millionen Pfund.

Von Michael Neudecker, London

Im Mai 2011 kam der damalige US-Präsident Barack Obama nach London, in seiner Staatskarosse fuhr er auch in die Innenstadt: mitten in die "Congestion Zone", eine "Stau-Zone", in der eine Gebühr für jedes Auto fällig wird. Die City-Maut ist 2003 vom damaligen Bürgermeister Ken Livingstone nach Singapurer Vorbild eingeführt worden, um den Verkehr in der Innenstadt zu reduzieren, die US-Delegation hätte zehn Pfund für jedes Auto entrichten müssen. Zehn Pfund sind natürlich lächerlich für eine US-Delegation, aber es geht beim Zahlen ja oft auch ums Prinzip. Die Amerikaner zahlten nicht, obwohl Livingstones Nachfolger Boris Johnson sich nicht scheute, das Thema beim Bankett mit Obama anzusprechen.

Boris Johnson ist längst weg, aber das Thema ist geblieben. Vor Kurzem veröffentlichten die britische Regierung und die zuständige Verkehrsbehörde Transport for London (TfL) den aktuellen Stand in Sachen "Congestion Charge": Die Summe der offenen Rechnungen aller Botschaften in der britischen Hauptstadt beträgt inzwischen 143 Millionen Pfund.

Die Botschaften und die "Congestion Charge", das ist ein kurioses Dauerthema in London, dem aber auch eine gewisse Emotion zugrunde liegt, wie immer, wenn sich Ignoranz und Machtlosigkeit gegenüberzustehen scheinen. Die TfL betont gerne, dass die Gebühr, die heute 15 Pfund pro Fahrzeug und Tag beträgt, ein wichtiger Bestandteil des Umweltschutzes sei, der Verkehr in der Innenstadt habe sich um mehr als zehn Prozent reduziert. Viele Botschaften weigern sich aber seit 20 Jahren, die Gebühr samt Strafen zu bezahlen, allein die Botschaft der USA weist mittlerweile einen Zahlungsrückstand von 14,6 Millionen Pfund auf. Sie betrachten die Gebühr als Steuer, weshalb sie davon auszunehmen seien. Und Diplomaten genießen Immunität, Strafzettel werden noch nicht einmal ignoriert, Umwelt hin oder her.

Schon Ken Livingstone ärgerte sich maßlos

Johnsons Vorgänger Ken Livingstone ärgerte das so sehr, dass er den damaligen US-Botschafter einen "betrügerischen kleinen Gauner" nannte. Der heutige Bürgermeister Sadiq Khan sagt auf SZ-Anfrage selbst lieber gar nichts dazu, dafür teilt ein Sprecher der TfL mit, der Schuldenstand sei erneut dem Außenministerium gemeldet worden. Und fügt einigermaßen hilflos hinzu: Man brauche "Unterstützung durch die Regierung". Nur, wer will schon wegen eines Streits um ein paar Pfund Autogebühr diplomatische Beziehungen verkomplizieren?

Im Unterhaus wurde nun ein schriftliches Statement in der Sache veröffentlicht, darin heißt es mit aller zur Verfügung stehenden Entschlossenheit: Man sehe "keine rechtliche Grundlage für eine Ausnahme" und "erwarte", dass die Botschaften ihre Schulden begleichen. Dass die Erwartung erfüllt wird, das ist, um es mit aller zur Verfügung stehender Deutlichkeit zu sagen: recht unwahrscheinlich. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin heißt es knapp und unmissverständlich, es handle sich um eine Abgabe, von der Botschaften aufgrund international gültiger Abkommen befreit seien.

In der aktuellen Schuldnertabelle zur Congestion Charge steht Deutschland mit 4,6 Millionen Pfund auf Rang zehn, hinter Kasachstan und Ghana, vor dem Sudan und Kenia. Die deutsche Botschaft in London liegt am Belgrave Square - knapp außerhalb der Mautzone.

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